Mehr als ein Ausweis

"Starkes Statement": Organspende-Tattoos sind in BW beliebt

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Autor/in
Nadia El-Gonemy

Organspenden werden dringend gebraucht in Deutschland. Viele würden nach ihrem Tod zwar spenden, dokumentieren das aber nirgends. Andere zeigen ihre Entscheidung sichtbar - als Tattoo.

Ob man Organe spenden will oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung und von großer Bedeutung. Immerhin könnte man ein Leben retten. Während manche noch überlegen, gibt es Menschen, die sich sicher sind. So sehr, dass sie sich unter eine surrende Nadel legen und ein Symbol für ihre Zustimmung zu einer Organspende für immer auf der Haut tragen.

Freiburger erzählt, wieso er ein Organspende-Tattoo will

Martin Maisel aus Freiburg zum Beispiel hat sich jetzt das Tattoo stechen lassen. Er sei sich von Anfang an sicher gewesen und habe nicht lange darüber nachgedacht, erzählt er.

"Ich habe in der Schule einen Mitschüler gehabt, der an einem Herzfehler gestorben ist. Und wenn damals schon mehr Organe zur Verfügung gestanden hätten, dann hätte er eine Chance gehabt."

Verein: Tattoos machen Entscheidungen sichtbar

Hinter dem Symbol mit den Halbkreisen steht die Kampagne Opt.Ink des Vereins Junge Helden. Die Organspende-Tattoos sind kostenlos. Es gibt sie in immer mehr Studios in ganz Deutschland, wie auf einer Karte auf der Website des Vereins zu erkennen ist. In Baden-Württemberg sind es schon fast 50.

"Opt.Ink ist die Zustimmung zur Organspende, aber auch ein starkes Statement. [...] Es zeigt einfach, dass die Organspende wichtig ist."

Also Tattoos statt Organspende-Ausweis?

Organspendetatoo und Organspendeausweis
Das Organspendetattoo ersetzt nicht den Organspendeausweis.

Wer aber meint, dass die Tattoos den Ausweis aus Papier ersetzen könnten, der irrt sich. Das Tattoo ist kein rechtskräftiges Dokument. Es ersetzt also nicht den Organspendeausweis oder die Nachfrage bei den Angehörigen. Dennoch sei das Tattoo ein hilfreiches Zeichen für die Angehörigen, sagt Barbara Sum von Verein Junge Helden. Wenn ein Ausweis vorliegt, gilt immer der Wille des Verstorbenen. Diesem können die Angehörigen nicht widersprechen. Aber bei einem fehlenden Dokument dürfen diese bestimmen, was mit den Organen eines verstorbenen Angehörigen passieren soll.

Auch in Karlsruhe findet man die Symbole auf den Armen

Im Karlsruher Tattoo-Studio Secret Vogue in Durlach wird das Organspende-Tattoo gerade sehr oft gestochen. Die Nachfrage sei sehr groß, an manchen Tagen habe er das Motiv zusammen mit seinen Kollegen mehr als 15 Mal gestochen, sagt Tätowierer Thorben Lang. Heute ist Tanja Elsner seine Kundin. Als sie von der Aktion gehört habe, habe sie direkt beim Studio in Karlsruhe angerufen und einen Termin ausgemacht. "Ich hatte vor zehn Jahren eine Hirnblutung. Seitdem ist es mir wichtig mit der Organspende. Dass ich helfen kann, wenn mein Leben zu Ende ist."

Das Stechen des Tattoos dauert etwa zwanzig Minuten. Schmerzhaft war es für Tanja Elsner nicht. Das Tattoo trägt sie jetzt am Knöchel ihres rechten Beins: "Ich finde das Tattoo mega cool, dass man das nach außen zeigen kann. Den Ausweis im Geldbeutel sieht keiner."

Motorradfahrerin lässt sich Tattoo in Sigmaringen stechen

Ähnlich sieht es Jana Mutter aus Stockach (Landkreis Konstanz). Die 21-Jährige lässt sich in dieser Woche das Tattoo in einem Studio in Sigmaringen stechen. Sie sei Motorradfahrerin - das sei immer gefährlich.

"Wichtige Entscheidungen muss man auch treffen, wenn man jung ist. [...] Und ich denke nicht, dass ich mich umentscheiden werde irgendwann – weil: Was will ich mit meinen Organen später anfangen?"

Mehr Spender, aber trotzdem lange Wartelisten

Organspenderinnen und -spender werden in Deutschland dringend gebraucht. Nach der Pandemie ging die Zahl nach Daten der Deutschen Stiftung für Organtransplantation zurück. 2020 gab es im ersten Quartal noch 330 Menschen, die 1.038 Organe spendeten. 2022 waren es im gleichen Zeitraum nur noch 239 Menschen, die 750 Organe spendeten. In diesem Jahr stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal erstmals wieder. Die Wartelisten sind trotzdem lang. Laut einer Statistik der Vermittlungsstelle für Organspenden Eurotransplant standen zu Beginn des Jahres 8.505 Menschen in Deutschland auf der Warteliste für Organe. In Baden-Württemberg sind es 1.116.

Nach Überzeugung von Fachleuten würde es helfen, wenn mehr Menschen ihr Einverständnis schriftlich festhalten würden. Denn eine persönliche Entscheidung hilft nicht weiter, wenn sie nicht in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung dokumentiert wird oder deutlich an die Angehörigen kommuniziert wird. In der neuesten Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung äußerten sich rund 85 Prozent der Befragten positiv zu einer Organspende. Jedoch haben nur 44 Prozent der Befragten die Entscheidung für eine Spende auch schriftlich festgehalten. Die Bundeszentrale bietet neben dem Organspendeausweis auch Beratung zu dem Thema an.

Widerspruchslösung statt Einwilligungslösung?

Auch aus diesem Grund wird im Bundestag immer wieder darüber diskutiert, ob die Einwilligungslösung in eine Widerspruchslösung geändert werden solle. Das würde bedeuten, dass Menschen automatisch zum Organspender nach dem eigenen Tod werden könnten, außer sie widersprechen vorher dagegen. In vielen europäischen Nachbarländern gibt es diese Lösung bereits - mit der Folge, dass der Anteil der Organspender zum Teil höher ist.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich im Januar für einen neuen Versuch für eine Reform der Organspenderegeln ausgesprochen. Auch der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) positionierte sich im Vorfeld des Tags der Organspende an diesem Samstag, 3. Juni, "entschieden für die Widerspruchslösung".

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Nadia El-Gonemy

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