Die Zahl der bisher bekannten Fälle sei nur die "Spitze des Eisbergs", sagt die Vorsitzende des Betroffenenbeirats. Sie hofft, dass sich bald noch mehr Opfer melden.
Rund 600 Kinder und Jugendliche haben im Zeitraum von 45 Jahren im Erzbistum Freiburg sexuelle Gewalt durch Priester und Ordensleute erfahren. Das teilte die Vorsitzende des Betroffenenbeirats der Freiburger Erzdiözese, Sabine Vollmer, der Deutschen Presse-Agentur mit. Sie geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus.
"Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt sehr viele Betroffene, die immer noch Schuld- und Schamgefühle haben und sich noch niemandem anvertraut haben", so Vollmer. Das seien insbesondere Menschen zwischen 50 und 80 Jahren. Vollmer hofft, dass diese Menschen "mit der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts diese Gefühle überwinden und sich melden." Das sei wichtig, denn sexuelle Gewalt könne auch Jahre später noch Depressionen auslösen.
Missbrauchsbericht untersucht Verhalten der Bischöfe
Der schon länger angekündigte Missbrauchsbericht für das Erzbistum Freiburg soll nach Verzögerungen am 18. April 2023 veröffentlicht und vorgestellt werden. Nach SWR-Informationen ist der Bericht etwa 600 Seiten lang. Beleuchtet werden darin die vergangenen 45 Jahre, also die Zeit unter den Erzbischöfen Oskar Saier, Robert Zollitsch und Stephan Burger.
Zentral ist die Frage, was die Verantwortlichen über sexuellen Missbrauch gewusst, möglicherweise zugelassen oder sogar vertuscht haben. Ursprünglich hätte der Bericht am 25. Oktober 2022 erscheinen sollen. Nach Angaben des Bistums wurde die Veröffentlichung aus rechtlichen Gründen verschoben.
Betroffene Gemeinden bleiben geheim
Mit Rücksicht auf die Opfer und Betroffenen sollen im Missbrauchsbericht keine Gemeinden und nur wenige Namen genannt werden. "In manchen Dörfern ist es bis heute schwierig, über die Vorfälle zu sprechen", so Vollmer. Es sei deshalb gut, dass der Bericht die Opfer schütze.
Für die Täter fordert sie hingegen rasche Konsequenzen. "Verantwortliche müssen mit Namen genannt werden und dann müssen - wo das noch möglich ist - Sanktionen erfolgen." Zuvor hatte auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger Konsequenzen in Aussicht gestellt.
Gutachten im April erwartet Freiburger Missbrauchsbericht: Erzbischof Burger fordert Konsequenzen
Noch vor der Veröffentlichung des Freiburger Missbrauchsberichts hat Erzbischof Stephan Burger seinen Aufklärungswillen bekräftigt. Die Aufarbeitung sei ihm persönlich wichtig.
Schwere Vorwürfe gegen Erzbischof Zollitsch
Der frühere Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte im Oktober Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen eingestanden und um Entschuldigung gebeten. Betroffene kritisierten danach allerdings die Äußerungen des 84-Jährigen.
Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" hatten ergeben, dass Zollitsch schon 1992 von den sexuellen Übergriffen eines Pfarrers wusste. Nach dessen Suizid bestand Zollitsch in einem Brief darauf, den Fall ruhen zu lassen, um den "Schaden zu begrenzen." Die Gemeinde wurde daraufhin nicht über den sexuellen Missbrauch informiert.
Missbrauchsvorwürfe erschüttern Katholische Kirche
Mit rund 1,8 Millionen Katholikinnen und Katholiken gehört das Erzbistum Freiburg im Breisgau zu den größten der 27 Diözesen in Deutschland. Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen erschüttert die katholische Kirche seit über zehn Jahren. So war es Jahrzehnte hinweg häufig gängige Praxis, Priester, die Kinder sexuell missbraucht hatten, in die nächste Gemeinde zu versetzen.