Die Kommunen im Land und auch alle 32 Kommunen im Landkreis Waldshut sagen geschlossen: Wir können nicht mehr. Mit einem Hilferuf wenden sie sich nun Richtung Stuttgart und Berlin.
In den letzten Jahren mangelte es den Kommunen nicht an Herausforderungen: Sie mussten geflüchtete Menschen unterbringen, die Corona-Pandemie meistern und aktuell stehen sie zusätzlich durch extrem gestiegene Energiepreise unter Druck. Doch eine zunehmende Bürokratie bremst die Kommunen zunehmend aus. Viele neue Vorschriften, die von Berlin und Stuttgart vorgegeben werden, seien nicht machbar oder sogar unsinnig.
SWR-Reporterin Jasmin Bergmann berichtete im SWR-Fernsehen:
Kindergärten: Verschärfte Vorgaben schränken Betreuung weiter ein
Im Kindergarten der Gemeinde Ühlingen-Birkendorf fehlt - wie in vielen anderen Einrichtungen auch - das Personal.
Die Öffnungszeiten wurden deshalb bereits eingeschränkt. Und weil das Land die Vorgaben für die Betreuung nochmal verschärft hat, werden weitere Einschränkungen folgen. Für Elternvertreterin Karina Frech ist das ein Ärgernis. Berufstätige seien darauf angewiesen, dass ihr Kind in den Kindergarten gehen kann.
Pflegeheime: Kurzfrist-Energieversorgungs-Sicherungsmaßnahmen-Verordnung
Im Pflegeheim in Jestetten gelten wegen der Energiekrise - wie in allen anderen öffentlichen Gebäuden auch - neue Vorschriften zur Raumtemperatur. Die Heizthermostate müssen heruntergedreht werden, egal ob ein Patient dement oder bettlägrig ist. Landrat Martin Kistler regt sich vor allem über die so genannte „Kurzfrist-Energieversorgungs-Sicherungsmaßnahmenverordnung“ vom 26.August 2022 auf. Laut dieser Verordnung besteht die Pflicht, jeden Heimbewohner über dessen monatlichen Energieverbrauch aufzuklären. Sollte der zu hoch sein, müsse eine Energieberatung stattfinden.
Gemeindehaushalt: Umsatzsteuerpflicht macht Haushaltsrecht zum Monster
Der Gemeindehaushalt sei kaum noch zu durchschauen. Der werde durch neue bürokratische Vorschriften immer umfangreicher und intransparenter, beklagt sich Laufenburgs Bürgermeister Ulrich Krieger. Er vergleicht das neue Haushaltsrecht mit einem "Monster". Besonders ärgerlich sei Paragraf 2b, wonach Kommunen umsatzsteuerpflichtig werden. Seine Stadtverwaltung müsse nun jede einzelne Einnahme untersuchen, das seien 10.800 Geschäftsvorgänge.
Kommunen fordern: Machbares priorisieren und das Ende vorausdenken
Damit das System in Zukunft nicht zusammenbricht, haben die 32 Kommunen im Kreis Waldshut zwei konkrete Wünsche. Zum einen erwarten sie, dass Bundes- und Landesregierung nur das versprechen, was vor Ort auch machbar ist. Soll heißen, bei neuen Bestimmungen müsse man auch das Ende bedenken.
Kommunen für mehr Selbstbestimmung und weniger Bürokratie
Der Sprecher der 32 Kommunen im Kreis Waldshut, der Bürgermeister von Ühlingen-Birkendorf Tobias Gantert, fordert einen echten Bürokratieabbau - auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Denn wenn die Babyboomer in den nächsten Jahren in den Ruhestand treten, gehe es nicht mehr darum, wer welche Aufgabe macht, sondern welche Aufgabe überhaupt noch gemacht werden kann. Wenn Vorschriften, so wie aktuell, alles bis ins kleinste Detail regeln, sei eine Verwaltung auf Dauer überfordert, ist Gantert überzeugt.