Giftiger Teer, achtlos in die Natur gekippt: In mehreren Schwarzwald-Gemeinden wurde tonnenweise Asphalt entsorgt. Ein Skandal riesigen Ausmaßes, sagen Umweltschützer.
Tonnenweise in den Wald, aufs Feld und sogar ins Bachbett geschüttet: Teerhaltiger Straßenaufbruch wurde in dutzenden Orten im Schwarzwald entdeckt. Sogar im Naturschutzgebiet. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, vermuten Umweltschützer. Sie kritisieren den rücksichtslosen Umgang mit dem giftigen Material.
Ihr Vorwurf lautet: Um Kosten zu sparen, entsorgen Bauunternehmer das krebserregende Material immer häufiger in der Natur. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden wiegeln ab.
Giftiger Teer entsorgt: 50 Fälle bisher bekannt
Seit Jahren ist Dieter Berger dem Gift auf der Spur. Er ist Umweltschützer, hat früher lange im Straßenbau gearbeitet. Berger kennt sich aus, weiß genau, wonach er suchen muss. Und wie es riecht: unangenehm süßlich und stechend - Teer eben.
Er hat inzwischen über 50 Orte im Schwarzwald gefunden, an denen teerhaltiger Straßenaufbruch zum Teil tonnenweise in die Natur gekippt wurde. Zum Beispiel in den Gemeinden Todtmoos, Todtnauberg, Bernau, Schönau, Kleines Wiesental und am Notschrei.
100 Millionen Tonnen belasteter Asphalt in BW
Früher war Teer das Wundermittel im Straßenbau, doch inzwischen ist er verboten. Denn die schwarze zähflüssige Substanz ist krebserregend und schädigt die Umwelt. Dafür verantwortlich sind sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK.
Laut Umweltministerium wurden bis 1984 in Baden-Württemberg rund 100 Millionen Tonnen belasteter Asphalt verbaut. Das Material ist harmlos, solange man die Straßen in Ruhe lässt. Doch werden sie aufgebrochen, entfaltet das PAK seine toxische Wirkung.
Teerhaltiger Straßenaufbruch darf nicht recycelt werden
Der Umgang mit teerhaltigen Fahrbahnen ist klar und streng geregelt. Sie müssen zuerst beprobt und dann sorgfältig abgefräst werden. Das belastete Material darf nicht vermischt und auch nicht wiederverwendet werden, sondern muss entweder auf speziellen Deponien oder thermisch behandelt werden.
In Deutschland gibt es solche Anlagen bislang nicht und Deponien sind rar. Für Bauunternehmen und Kommunen bedeutet das weite Wege und immense Kosten, die man sich gerne sparen würde.
Umweltschützer wurde bedroht
Mit einem sogenannten Detektor-Spray kann Dieter Berger das Gift nachweisen. Je schneller und intensiver sich der weiße Schaum gelb färbt, desto höher ist die PAK-Konzentration.
Und es färbt sich auffällig oft gelb, manchmal sogar ocker. Berger spricht von einer großen Gefahr für Mensch und Natur, von rücksichtslosem Verhalten und kriminellen Machenschaften. In den vergangenen Jahren ist er immer wieder beschimpft und bedroht worden, man hat versucht, ihn einzuschüchtern. Bislang vergeblich. Aufgeben will er nicht.
Wissenschaftlerin weist PAK im Biosphärengebiet nach
Auch Christine Alewell, Professorin für Umweltgeowissenschaft an der Universität Basel, hat das Gift im Schwarzwald nachgewiesen, unter anderem in einem großen Haufen im Biosphärengebiet - PAK und Schwermetalle, vermutlich aus dem Straßenbau.
Alewell spricht von illegaler Entsorgung und beklagt mangelnde Kontrolle durch Kommunen und Behörden. Sie hat die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Analyse der zuständigen Staatsanwaltschaft in Lörrach zur Verfügung gestellt. Passiert sei bislang nichts. Doch warum?
Christine Alewell vermutet Interessenskonflikte und eine zu starke Lobby. Schließlich werde auf diese Weise sehr viel Geld gespart. Als dritten möglichen Grund nennt die Professorin Desinteresse am Umweltschutz.
Kommunen und Behörden geben keine Interviews
Die Beweise, die die Umweltschützer vor Ort gesammelt haben, scheinen deutlich. Doch Kommunen und Landratsämter reagieren auf Nachfrage auffallend ähnlich auf die Vorwürfe. Das Material sei "ordnungsgemäß entsorgt", es sei "kein Straßenaufbruch", es gebe "keine Hinweise auf PAK" und es bestehe "keine Gefahr für das Grundwasser". Auffällig ist auch, dass trotz mehrfacher Nachfrage niemand bereit war, sich vor Ort zu treffen.
Weder die betroffenen Bürgermeister, noch Vertreter der zuständigen Landratsämter. Und was sagt das baden-württembergische Umweltministerium? Bei der Vielzahl an Straßenbaustellen im Land sei eine flächendeckende Kontrolle nicht möglich, heißt es. Man hoffe stattdessen auf die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Auf Anfrage des SWR wird ein Interview mit Umweltministerin Thekla Walker (Bündnis 90/Die Grünen) abgelehnt. Sie sei "nicht zuständig".