Im Freiburger Chor "Singende Hände" treffen sich Gehörlose und Hörende zum gemeinsamen Musizieren. Wie macht man Musik, wenn man sie nicht hören kann?
Auf den ersten Blick scheint das ein ganz normaler Chor zu sein. Doch das ist er nicht. Bei den "Singenden Hände" wirken Gehörlose mit.
Sie treffen sich im Gemeindehaus der Heiligen Frau in Freiburg. Dort nutzen sie die Ruhe, um sich auf ihr großes Konzert vorzubereiten. Zwei Grüppchen haben sich im Raum verteilt - es geht ans Aufwärmen. Sophia Kirstein ist ein Teil der Chorleitung - jener, der mit der Stimme arbeitet. Mit etwa fünf Personen steht sie im Halbkreis und trällert ihnen die Tonleiter vor. Die anderen singen sie nach, hoch und runter, begleitet vom Klavier daneben.
Singen in Gebärdensprache
Die zweite Gruppe hat es sich auf der anderen Seite des Raumes gemütlich gemacht. Einige stehen, manche sitzen und für eine Chorprobe wirkt es erstaunlich still. Doch Musik ist nicht nur zum Hören da. Diese Sängerinnen und Sänger singen nämlich nicht mit der Stimme, sondern mittels Gebärden.
Wer nicht hört, der fühlt
Stephanie Mündel-Möhr leitet den Teil des Chors, der wie sie gehörlos oder zumindest sehr schwer hörend ist. Dass man nicht unbedingt hören muss, um musikalisch zu sein, weiß sie schon lange. Als Kind besuchte sie mit ihren Eltern Gottesdienste und war fasziniert von den singenden Kirchengängern. Sie sah die Gefühle in den Gesichtern der Menschen, konnte aber nicht nachvollziehen, wie diese mit dem Gesang in Zusammenhang standen. Seit sie selbst im Chor singt, weiß sie: Musik ist eine emotionale Sache, Hören muss man dafür nicht.
Gebärdensprache übersetzt auch Gefühle
Wie die Musik in die Gebärdensprache kommt? "Das ist keine einfache Frage", sagt Stephanie Mündel-Möhr. Das Wichtigste sei jedoch die Interpretation der Texte, denn die Gebärdensprache übersetzt die Lautsprache nicht Wort für Wort. Vielmehr spreche man in Bildern, so die Chorleiterin. Damit die Lieder in Gebärdensprache zu den Liedern der Lautsprache passen, braucht es vor allem Teamwork und daran mangelt es nicht. Gemeinsam etwas Großes machen, das macht die "Singenden Hände" aus. Beate Bolanz besucht die Proben regelmäßig. Sie sagt: "Hörende und Gehörlose, die zusammen singen. Das ist für mich Integration".
Wie fühlt sich Musik an, wenn man sie nicht hören kann?
Stephanie Mündel-Möhr erklärt, dass viele Gehörlose Musik durch Vibration erleben könnten . "Wir nehmen das aber natürlich unterschiedlich wahr", fügt sie hinzu. Dem einen fällt das Singen im Takt etwas leichter, wenn er ihn spüren kann. Der andere braucht das Visuelle und orientiert sich an den Bewegungen der anderen Sänger. Das laute Aufstampfen aller Sängerinnen und Sänger gehört zur Probe dazu.
Sophia Kirsteiner hatte die Idee, den Chor zu gründen. Mittlerweile sind die "Singenden Hände" ein Herzensprojekt: "Jede Probe ist irgendwie ein wunderschönes Ereignis. Und ich finde es jedes Mal krass, wie eins wir dann am Ende sind", so Kirsteiner. Es spiele keine Rolle mehr, ob jemand viel, wenig oder gar nichts höre, ergänzt sie. Und Stephanie Mündel-Möhr sagt: "Beides zusammenzubringen, die Gebärdensprache und die Musik, davon bekomme ich eine Gänsehaut."