Aschenplätze zum Fußballspielen sterben gerade aus. Fast überall wird der ungeliebte Belag durch Kunstrasen ersetzt. Nicht so Häg-Ehrsberg im Schwarzwald.
In der Schwarzwaldgemeinde Häg-Ehrsberg (Landkreis Lörrach) gibt es eine absolute Rarität im südbadischen Fußball: Nur hier werden noch alle Spiele auf dem Hartplatz ausgetragen - und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.
Wer als Kind in Häg-Ehrsberg im Verein Fußballspielen wollte, hat es schon immer etwas härter gehabt. Das fängt schon mit der Anreise an. Von der Ortsmitte bis zum Sportplatz sind es locker 300 Höhenmeter bis zur Hochebene. Woanders ist in der extrem bergigen Gemeinde einfach keine gerade Fläche zu finden. Auf 970 Höhenmetern wartet dann kein saftiges Grün, sondern etwas Rotbraunes, das im Sommer kräftig staubt, im Winter bockelhart ist, im Herbst gewaltig matscht - und von dem der Vorstand des SV Häg-Ehrsberg Max Rümmele sagt: "Wir mögen unseren Hartplatz."
Ein Stinkefinger für den Platz
Bei den Gastmannschaften sieht das völlig anders aus. Als beträten sie ein möglicherweise vermintes Terrain, begutachtet die zweite Mannschaft vom SV Schopfheim beim Saisonauftakt den Platz. Ein Spieler zeigt bei der ersten Begehung dem Platz mal schnell den Stinkefinger und ahnt sicher nicht, dass er dabei gefilmt wird.
"Ich komme aus Bayern da gibt es überhaupt keine Hartplätze, als ich das zum ersten Mal gesehen habe, war ich fassungslos", sagt der Trainer der Schopfheimer Andre Besel. Seine Taktik will er dem Hartplatz anpassen. "Robuster und nicht so sehr auf Technik wollen wir spielen, und klar ist das ein Vorteil für die Heimmannschaft, das sieht man auch daran, welche Spiele sie meistens gewinnen."
Der Schopfheimer Mittelfeldspieler Gianluca Gentile hat noch nie auf einem Aschenplatz gespielt und sagt: "Ich bin richtig gespannt darauf, wie das ist auf dem Platz." Unters Trikot zieht er sich aber vorsichtshalber noch ein Longsleeve, damit die Arme besser geschützt sind.
Ein Platz zum Leiden
Das Gemecker des Gegners kennen die Spieler vom SV Häg-Ehrsberg nicht anders. "Die sollen ruhig Rumlärmen, dann sind die abgelenkt vom Spiel,“ sagt Mittelfeldspieler Andres Waßmer. Die Häg-Ehrsberger sagen, sie seien von Kindesbeinen an den Hartplatz gewöhnt. Mittlerweile sind sie fast ein bisschen stolz auf ihren Hartplatz, vor dem jeder Gegner Respekt hat und der bei fast jedem Fußballer Erinnerungen an blutende Wunden weckt, vorzugsweise am Knie und der Hüfte.
Wer spüren möchte, dass die Leidenschaft Fußball auch was mit Leiden zu tun hat, der wird in Häg-Ehrsberg bestens bedient. Wenn dann pünktlich zum Anpfiff noch ein Platzregen runterkommt, gibt es von den Zuschauern sogar Mitleid. "Ja, das ist schon ein Hobby hier, das ist, wie soll ich sagen…urig", sagt der Fan Manfred Pflug und erinnert sich an seine eigene Zeit als Spieler vor Jahrzehnten: "Ich habe immer dafür gesorgt, dass nur der Gegner gelitten hat auf dem Platz." Die Fans haben sich unter dem Freisitz vom Vereinsheim versammelt, damit sich nicht komplett nass werden.
Die Partie zum Saisonauftakt endet unentschieden
Auf dem Platz freuen sich die Spieler über den Regen. "Bei Regen ist es am besten", sagt Tobias Steinebrunner, und Gianluca Gentile, der Schopfheimer Hartplatz-Debütant, erklärt nach dem Spiel: "Mit dem Regen ist der Platz richtig schön weich geworden." Offene Wunden hat er keine. Am Ende trennen sich die Mannschaften mit einem 2:2, und der Schopfheimer freut sich auf das nächste Heimspiel auf dem heimischen Kunstrasen.
Er kann sich jedenfalls drauf verlassen, dass der Aschenplatz von Häg-Ehrsberg auch in einem Jahr noch bespielt wird. "Hier in fast 1000 Meter Höhe hat kein Naturrasen eine Chance, und für einen Kunstrasen fehlt der kleinen Gemeinde das Geld“, sagt der Vereinsvorstand Max Rümmele. Die Idee, den Hartplatz von Häg-Ehrsberg unter Denkmalschutz zu stellen, finden die Häg-Ehrsberger ganz lustig, aber eigentlich überflüssig. Denn niemand will den Hartplatz hier wirklich ersetzen oder hat eine Idee, wie das bezahlt werden könnte.