Die sechsjährige Alma Seifried darf nicht in die Nachmittagsbetreuung einer Pfaffenweiler Schule. Die Caritas hat den Antrag abgelehnt - weil das Mädchen eine Behinderung hat.
Die Schneckentalschule in Pfaffenweiler (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) ist beispielhaft in Sachen Inklusion. Kinder mit Behinderung sind dort besonders gut aufgehoben. Doch jetzt sorgt der Fall der sechsjährigen Alma Seifried für Aufsehen.
Das Mädchen mit Trisomie 21 würde gerne auch nach dem Unterricht in der Schule bleiben zur Nachmittagsbetreuung. Ausgerechnet die Caritas Breisgau-Hochschwarzwald lehnt den Wunsch der Familie ab. Jener Verband, der sich die Integration von Menschen mit Behinderung besonders groß auf die Fahne schreibt.
Alma hat sich auf die Schule gefreut
Die kleine Alma Seifried kommt mit den morgendlichen Ritualen in der Familie schon ziemlich gut zurecht. Sie ist gerade sechs Jahre alt geworden. Schulkind ist sie seit zwei Wochen. Sie bürstet sich die Haare selbst, macht ihre Schuhe zu und setzt den Schulranzen auf.
Das Taxi kommt gegen sieben Uhr und bringt Alma mit anderen Kindern in die Schneckentalschule nach Pfaffenweiler, 15 Kilometer entfernt von ihrem Wohnort. Ihre Eltern winken zum Abschied. Sie sind spürbar stolz auf ihre Tochter. "Das macht sie richtig gut", sagt ihre Mutter Katharina Seifried und erzählt, dass sich Alma wahnsinnig auf diesen neuen Lebensabschnitt gefreut habe.
Inklusion an Pfaffenweiler Grundschule beispielhaft
Katharina Seifried schwärmt von der Schneckentalschule in Pfaffenweiler - von den Lehrerinnen und Lehrern dort, dem besonderen Schulkonzept und der tollen Stimmung. Eigentlich könnte Almas Geschichte ein gelungenes Beispiel dafür sein, wie Inklusion im Schulalltag funktioniert. Doch der gelungene Teil dieser Geschichte endet nach dem Unterricht genau um 13 Uhr. Dann nämlich muss Alma die Schule verlassen. Das Taxi bringt sie zurück nach Hause.
Viele ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler bleiben zum Essen und in der Nachmittagsbetreuung. Alma darf nicht. Ihre Eltern haben dazu eine klare Meinung: "Dass man per se quasi sagt, sie darf nicht in die Nachmittagsbetreuung, weil sie eine Behinderung hat. Das ist für uns eine ganz massive Form von Diskriminierung."
Man habe größtes Verständnis für die Situation der Familie Seifried und ihrer Tochter, könne im Moment aber leider keine Lösung anbieten. Das sagt der Träger der Nachmittagsbetreuung, die Caritas Breisgau-Hochschwarzwald.
Caritas fordert Fachkraft für Betreuung
An der Schneckentalschule sei Inklusion am Nachmittag nie vorgesehen gewesen, sagt Andreas Sendlbeck, Abteilungsleiter bei der Caritas Breisgau-Hochschwarzwald. Sendlbeck erzählt von 62 Kindern und fünf Betreuerinnen, die nicht speziell ausgebildet seien und an ihre Grenzen stoßen würden. Er fordert deshalb eine pädagogische Fachkraft. "Je größer ein solches System wird, desto komplexer wird es und desto anfälliger ist es. Und hier haben wir einfach eine Größe erreicht, die ein Risiko überhaupt nicht zulässt, dass wir da noch mit Inklusion arbeiten. Das ist zum Scheitern verurteilt", sagt er.
Zum Scheitern verurteilt?
Die Schneckentalschule ist eine Schule für alle. Hochgelobt von den Eltern und dem staatlichen Schulamt. Offenbar hat auch die Nachmittagsbetreuung bislang gut funktioniert - mit Kindern mit Behinderung und ohne Fachkraft. Diesen Eindruck bestätigt das Schulamt auf SWR-Anfrage. Doch die Caritas widerspricht. Der Verband sucht weiter mit einer Stellenanzeige nach einer Fachkraft. Bislang sei niemand geeignet gewesen, sagt Abteilungsleiter Sendlbeck.
Caritas: Keine Ausnahme für Alma
Almas Eltern haben angeboten, ihre Tochter versuchsweise in die Nachmittagsbetreuung zu schicken. Und sollte das nicht klappen, dann würden sie das auch akzeptieren, sagt Vater Jan Seifried. Doch die Caritas hat diesen Vorschlag zurückgewiesen.
Andreas Sendlbeck von der Caritas sagt dazu: "Es ist nicht die Lösung, zu sagen, jetzt nehmen wir ein Kind im Rahmen von der Sonderregelung auf und dann steht das nächste vor der Tür und das nächste und das nächste."
Für die Familie Seifried bleibt die Situation kompliziert. Beide Eltern sind berufstätig. Sie können den Spagat mit ihren Kindern nur mit Mühe organisieren. Dabei bräuchte ihre Tochter eigentlich gar keine spezielle Begleitung am Schulnachmittag. Alma könne das meiste allein, sagen auch Experten.
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