Bundesweite "Woche der Ausbildung" – Azubis als Fachkräfte von morgen sind stark gefragt. Auch in Südbaden haben Betriebe massiv Probleme, passende Auszubildende zu finden.
Am Montag ist bundesweit die "Woche der Ausbildung" gestartet. In Baden-Württemberg gibt es laut Landesregierung derzeit rund 60.000 offene Ausbildungsstellen. Doch Jammern löst das Dilemma nicht. Das haben in der Region viele Firmen inzwischen begriffen.
Um junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, braucht es inzwischen einiges. Aber es gibt sie, Arbeitgeber, die interessante Ausbildungskonzepte und gute Rahmenbedingungen schaffen. Arbeitgeber, die intensiv um Azubis werben, um junge Menschen als künftige Fachkräfte für sich zu gewinnen und sie tatsächlich als wertvolle Ressource begreifen.
Nisrine Fiaad: Vierfachmama und Azubine bei der Stadt Lahr
Nisrine Fiaad aus Lahr (Ortenaukreis) ist Vierfachmama. Seit Herbst vergangenen Jahres macht die 35-Jährige eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt. Sie wuppt Vollzeitausbildung und Berufsschule trotz ihrer vier Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahren. Sie sieht ihre Ausbildung als Chance – und möchte damit auch für ihre vier Mädchen Vorbild sein. Vor ihrer Ausbildung war Nisrine Fiaad schon acht Jahre lang ehrenamtliche Dolmetscherin für die Stadt Lahr. Sie liebt es, mit Menschen zu arbeiten.
Keine Angst vor Behördendeutsch
Aufträge, Anträge und Formulare ausfüllen, schreiben, viel organisieren: Genau das ist es, was Nisrine Fiaad gefällt. Sie hat keine Angst vor Behördendeutsch und Fachbegriffen. "Das freut mich, das alles zu wissen. Das macht mir Spaß", erzählt die Auszubildende. Vor fast 20 Jahren ist Nisrine Fiaad als 16-Jährige aus Homs in Syrien zugewandert. Inzwischen ist sie in Deutschland eingebürgert. Als eine von Dutzenden hat sie im Auswahlverfahren überzeugt – und das macht sie stolz.
"Kümmerer" begleiten Zugewanderte und Geflüchtete in die Ausbildung
Die deutsche Duale Ausbildung war für Nisrine Fiaad völliges Neuland. Im sogenannten "Kümmerer-Projekt" hat Christiane Möller von der IHK Südlicher Oberrhein in Freiburg sie deshalb mehrere Jahre lang auf ihrem Weg in die Ausbildung begleitet. "In diesen Verwaltungs- und Büroberufen sind relativ wenige Zugewanderte vertreten", berichtet Möller. "Das ist das Besondere, dass sie sich da rangetraut hat."
"Welcome Center" sollen Einstieg in Arbeitsmarkt erleichtern
Christiane Möller hat die Vierfachmutter immer ermutigt, den nötigen Haupt- und Realschulabschluss nachzuholen. Schließlich fehlen überall Fachkräfte. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg fördert daher das Programm, um Zugewanderte und Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Bereich der IHK Südlicher Oberrhein ist der Anteil ausländischer Auszubildender im Jahr 2022 um 13 Prozent gestiegen. Sogenannte "Welcome-Center" wie etwa in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) und ab Mai 2023 auch in Freiburg sollen die Einstellung ausländischer Azubis und Fachkräfte erleichtern.
IHK Südlicher Oberrhein: Immer weniger Ausbildungsverträge
Der Fachkräftemangel in Behörden und Betrieben macht es wichtiger denn je, junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern. Im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein sind im vergangenen Jahr insgesamt 3.917 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. Das sind zwar knapp drei Prozent mehr als im Jahr zuvor (2021: 3.808), aber gut acht Prozent weniger als noch vor der Corona-Pandemie (2019: 4.267). Das sind so wenige wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Auf dem Ausbildungsmarkt ist das in allen Branchen spürbar. Vor allem aber im Bereich Hotel/Gastronomie, Transport/Logistik sowie in Metall- und Elektroberufen.
Ralf Gärtner: Plädoyer für technische Berufe
Ralf Gärtner ist Ausbildungsleiter beim Technologieunternehmen Trumpf Hüttinger in Freiburg und brennt regelrecht für eine gute Berufsausbildung. Dabei will er auch mit Vorurteilen aufräumen: Nicht nur Abitur und Studium, sondern gerade auch die duale Ausbildung bietet beste Perspektiven, sowohl finanziell, als auch in Sachen Karriere. Denn seit immer mehr Jugendliche an die Unis drängen, sei es für die Firmen schwierig geworden, geeignete Azubis zu finden.
Deshalb wirbt Ralf Gärtner bei den potenziellen Azubis von morgen – etwa in einer neunten Klasse an der Hansjakob-Realschule in Freiburg: "Es ist überall Mangel, alle suchen Auszubildende. Ihr habt die Chance, euch die besten Ausbildungsbetriebe auszusuchen," motiviert Gärtner die Jugendlichen.
Ausbilder sieht sich als Menschenformer
Ralf Gärtner selbst ist ausgebildeter Elektrotechniker. Er hat sich zum Meister weiterqualifiziert, leitet und organisiert seit über 20 Jahren die Ausbildung beim Elektronikunternehmen Trumpf Hüttinger, das Prozessstromversorgungen etwa für den Maschinenbau herstellt. Für ihn ist es ein Traumjob.
Gute Bedingungen schaffen ist Ralf Gärtner wichtig. In der Ausbildungswerkstatt unterstützt er etwa die angehenden Elektroniker bei ihren Praxisprojekten. Vor allem aber lässt er sie eigenverantwortlich einfach auch mal machen. Früh für Technik begeistern und auch in Kooperationen mit Kindergärten und Schulen Nachwuchs gewinnen, ist Gärtners Credo. Dass er die Fachkräfte von morgen mitformen und begleiten darf, gibt ihm viel. Und er will den jungen Menschen klarmachen: Die Ausbildung ist eine gute Basis, auch um sich selbst weiterzuentwickeln.
Rubin Mühle: Anspruchsvolle Hightech-Jobs
Um gute Azubis zu kriegen, müssen sich Betriebe inzwischen richtig ins Zeug legen. So auch die Rubin Mühle mit 200 Mitarbeitenden am Standort Lahr-Hugsweier (Ortenaukreis). Dass der Beruf des Müllers ein Hightech-Handwerk ist, wissen die wenigsten, die gerade einen Ausbildungsplatz suchen.
Seit Herbst 2022 macht Anton Welzhofer hier seine Ausbildung zum Verfahrenstechnologen Mühlen- und Getreidewirtschaft – Fachrichtung Müllerei. Die Mischung aus traditionell und hochmodern begeistert ihn: "Mein Opa war auch Müller. Deshalb bin ich zu dem Beruf gekommen und wusste auch schon grob, was auf mich zukommt." Ein Glücksfall für Personalchef Patrick Karl. Denn er muss intensiv werben um Azubis in den anspruchsvollen, oft unbekannten Berufen - von Lebensmitteltechnik bis zum klassischen Müller, der eben auch an modernsten, computergestützten Anlagen arbeitet: "Dass Korn zu Mehl gemahlen wird, das hat sich nicht geändert. Aber die Abläufe und die Maschinen sind moderner geworden."
Menschen sind unersetzlich
Die Rubin Mühle ist eine der größten Mühlen Europas. Sie verarbeitet Weizen und Hafer zu verschiedensten Produkten. Allein 150 Tonnen Haferflocken und 70 Tonnen Mehl jeden Tag, dazu jede Menge Müsli-Mischungen. Trotz aller Technik werde es dafür immer Menschen brauchen, so Patrick Karl. Denn beim Verarbeiten von Naturprodukten gebe es Schwankungen, die keine Maschine erfühlen könne.
Magnus Bauer lernt – nach Abitur und einigen Semestern Maschinenbau – im ersten Lehrjahr Fachkraft für Lebensmitteltechnik. In der Mühle zieht er Proben, kontrolliert und analysiert die Produkte im Labor. "Die Sensorik muss man immer überprüfen um zu wissen, ob das Produkt gut ist", so der Lehrling.
Rubin Mühle setzt auf Ausbildung
Nur wenn die Rubin Mühle selbst ausbildet, findet sie auch die nötigen Fachkräfte - gerade in den eher exotischen Berufen. Für Einblicke hinter die Kulissen gibt es regelmäßig Schnuppertage für junge Menschen. Außerdem Mühlenführungen, Ausbildungsmessen und Schülerpraktika.
Zeitgemäßes Azubi-Marketing zahlt sich aus
"Wir müssen sehr viel tun, um junge Menschen für uns zu gewinnen. Wir müssen uns als Unternehmen schmackhaft machen und zeigen, dass alles, was wir hier machen, interessant ist", so Patrick Karl. In Sachen "Azubi-Marketing" arbeitet die Rubin Mühle deshalb auch eng mit der IHK zusammen. Die Betriebe müssten für die Bedürfnisse der jungen Menschen sensibilisiert werden, erklärt Christiane Möller, IHK-Teamleiterin für Fachkräftesicherung. Sie müssten Wertschätzung zeigen, Benefits bieten und digitale Formate entwickeln.
Auch dem Zentralverband des deutschen Handwerks macht der fehlende Nachwuchs große Sorgen. Schon heute fehlten 250.000 Handwerker, 19.000 Lehrstellen blieben unbesetzt. Dabei sei das Handwerk der Zukunftsgestalter mit vielfältigen Karrierechancen, betont Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg anlässlich der "Woche der Ausbildung" vom 13. bis 19. März 2023.
Sich richtig ins Zeug zu legen für gute Azubis, es lohnt sich. Das weiß Patrick Karl – der vor 27 Jahren selbst seine Handwerksausbildung in der Rubin Mühle gemacht hat – aus Erfahrung. Er ist seinem Ausbildungsbetrieb immer treu geblieben: als Müllermeister und seit vielen Jahren auch als Personalchef.