Die Gemeinden Böblingen, Ehningen und Holzgerlingen wollten einen interkommunalen Windpark umsetzen. Der Gemeinderat von Ehningen hat überraschend dagegen gestimmt.
Es geht nur gemeinsam mit der Energiewende, dachte man sich im Kreis Böblingen: Südwestlich von Böblingen wollten die Gemeinden Ehningen, Holzgerlingen und Böblingen einen Windpark bauen. Pläne dazu wurden am Dienstag vorgestellt und in den jeweiligen Gemeinderäten diskutiert. Der Gemeinderat von Ehningen hat am Dienstagabend überraschend dagegen gestimmt.
Lukas Rosengrün, Bürgermeister von Ehningen, über die Entscheidung:
Keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens vor Ort
Der Bürgermeister von Ehningen, Lukas Rosengrün (SPD), ist von der Entscheidung überrascht. "Die Diskussion hat gezeigt, dass es vor Ort, wo solche Infrastrukturprojekte tatsächlich auch umgesetzt werden sollen, keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens gibt", erzählt der Bürgermeister im Gespräch mit dem SWR. Es gebe auch keine Klarheit, wie die ambitionierten Ziele der Bundes- und Landesregierung umgesetzt werden sollen.
Rosengrün bezeichnet sich selbst als flammenden Befürworter des Projekts. Letztlich könne man es nicht erzwingen und müsse auch demokratische Beschlüsse respektieren. Der Bürgermeister setze sich auch weiterhin für eine erfolgreiche Energiewende in seiner Gemeinde ein und hat die Hoffnung, dass die Windenergienutzung in Zukunft auch ein Teil davon werde.
Stefan Belz, Oberbürgermeister von Böblingen, über die Entscheidung:
Oberbürgermeister von Böblingen möchte Planung weiter vorantreiben
Der Oberbürgermeister von Böblingen, Stefan Belz (Grüne), bedauert die Entscheidung des Gemeinderats in Ehningen. "Wichtig ist, dass aus der Gefühlsdiskussion, was könnte da mal werden, eine Faktendiskussion wird", sagt Belz. Belz ist dafür, die Planungen trotzdem weiter voranzutreiben. Die Gemeinderäte von Böblingen und Holzgerlingen haben am Dienstag beide für den Windpark gestimmt.
Die Gemeinden müssten sich jetzt abstimmen und sich dann mit den jeweiligen Gemeinderäten besprechen. "Wir haben eine Verantwortung, mit dieser vom Verband Region Stuttgart ausgerufenen Potenzialfläche verantwortungsvoll umzugehen. Und diesen Prozess wollen wir weiterführen." Ehningen wolle man noch eine Tür offen lassen.
Windkraft erlebt eine Renaissance bei den Energie-Planungen
Nach der Mehrfachkatastrophe von Fukushima 2011 wollten alle plötzlich mehr Erneuerbare Energien. Vor allem mehr Windkraft. Große Pläne und Konzepte wurden erstellt, sämtliche Gemeinderäte in der Region waren damit befasst und mussten dauernd neue Beschlusslagen fassen. Von diesen Windkraftkonzepten wurde vieles aus verschiedenen Gründen dann doch nicht umgesetzt. 1.000 neue Windräder bis 2021 sollten es sein, hatte die Landesregierung 2011 für ganz Baden-Württemberg ausgegeben. Das Ziel wurde weit verfehlt, auch in der Region Stuttgart.
Jetzt, wo seit der Energiekrise und unter dem Druck, kommunale Wärmeplanungen erstellen zu müssen, das Thema Energiewende in aller Munde ist, erlebt auch die Windkraft eine Renaissance. Bei der geplanten Windkraft-Kooperation von Böblingen, Holzgerlingen und Ehningen sollen mindestens zehn Anlagen entstehen. Als idealer Standort wird ein Gebiet südwestlich von Böblingen entlang der B464 gesehen.
Potential für Windkraft auf 250 Hektar
Mit rund 250 Hektar erstrecke sich hier eine größere potentielle Fläche für Windkraft, heißt es in der Beschlussvorlage der drei Gemeinden. Und weil die Fläche eben interkommunal ist, sei die Chance auf Realisierbarkeit höher und auch der Synergieeffekt mit dem Verband Region Stuttgart größer, der letztendlich die Ausschreibung für die Vorrangflächen vornimmt. Der Planentwurf dafür wird gerade erarbeitet.
Landrat Bernhard unterstützt die Windenergie-Initiative
Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde für Windkraft-Anlagen unterstützt die Initiative – etwa mit dem Schaffen der Stelle eines "Windkraftkümmerers" bei der Energieagentur. Man wolle helfen, die Genehmigungsprozesse für Windräder zügig und rechtssicher durchzuführen. Als Industriekreis mit hohem Energiebedarf komme dem Landkreis "eine hohe Verantwortung zu, einen Beitrag zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Energieerzeugung zu leisten", sagte Landrat Roland Bernhard (CDU).
Die politische Lage ist gerade günstig
Die Lage zum Bauen von neuen Windrädern ist gerade politisch günstig. Dem Landkreis Böblingen helfen vor allem zwei Regelungen. Zum einen gilt seit dem Frühjahr das "Windenergie-an-Land-Gesetz". Dieses gibt den Ländern Flächen-Ziele für den Ausbau der Windenergie vor. Das heißt für Baden-Württemberg, bis 2032 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie auszuweisen. 1,8 Prozent scheinen nicht viel, sind aber schon schwer zu erreichen, sagen Expertinnen und Experten - auch, wenn die Landesregierung in Sachen Windkraft eine Taskforce hat.
Verband Region Stuttgart will neue Standorte finden
Zum anderen hat der Verband Region Stuttgart im Sommer vergangenen Jahres das Verfahren zur Teilfortschreibung des Regionalplans in Angriff genommen, um Flächen für mögliche Windrad-Standorte in der Region zu finden und auszuschreiben. Das wurde zwar eigentlich schon 2011 auf den Weg gebracht und im September 2015 von der Regionalversammlung als qualifizierter Planentwurf beschlossen.
Aber das Verfahren konnte nicht zum Abschluss gebracht werden und scheiterte damit 2015 vorerst. Zu viele Bürgerinnen und Bürger verschiedener Landkreise hatten gegen die Windrad-Pläne in ihren Gebieten Einspruch eingelegt. Und andere geplante Standorte verhinderte der Landschaftsschutz. Aktuell erarbeitet die Geschäftsstelle einen Planentwurf mit sogenannten Vorranggebieten für Windkraft-Standorte, nachdem die Möglichkeiten bei den Landkreisen und Kommunen bis Januar abgefragt worden waren. Dann braucht es noch einen Beschluss der Regionalversammlung.
Potential an A8: Sindelfinger Gemeinderat würde auch gerne bauen
Im benachbarten Sindelfingen schaut man genau auf die Pläne von Ehningen, Holzgerlingen und Böblingen und begrüßt sie. Hier sind die Anstrengungen der Stadtspitze in Sachen Windkraft einer Mehrheit der Stadträtinnen und -räte nicht groß genug. "Wir könnten im Norden entlang der A8 mehr als drei Windräder bauen", sagt etwa Ulrich Hensinger. Er sitzt für die Grünen im Sindelfinger Gemeinderat. Seit den letzten Bestrebungen 2012, bei Leonberg (ebenfalls Kreis Böblingen) Windräder zu bauen und seitdem 2015 so viele mögliche Standorte von der Liste des Verbands Region Stuttgart gestrichen werden mussten, hätten sich die Rahmenbedingungen total verändert.
"Windkraft und Photovoltaik sind die günstigsten regenerativen Energien", sagt er. Das müssten die Kommunen jetzt berücksichtigen, wenn sie ihren Energie-Mix planen. "Und es geht immer unter bei dem Thema: Grüne Energie ist ein Standortfaktor." In Sindelfingen beispielsweise für das dortige Mercedes-Benz-Werk. Außerdem haben schon Investoren Interesse am Bau von Windkraftanlagen angemeldet. Zwei Windräder würden jetzt privatwirtschaftlich geplant, so Hensinger.
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