In Sindelfingen haben sich am Samstag etwa 1.000 Menschen an der örtlichen Ditib-Moschee zu einem Trauergebet versammelt. Die Hintergründe der Gewalttat bleiben weiter unklar.
Bei einem Trauergebet wurde am Samstag vor der Ditib-Moschee der beiden getöteten Menschen im Mercedes-Werk in Sindelfingen gedacht. Die Veranstaltung sei friedlich und ohne Störungen verlaufen, berichtete ein Polizeisprecher auf Anfrage. Die Moschee gehört nach Angaben der Stadt zur türkisch-islamischen Gemeinde Sindelfingen.
Tatmotiv weiterhin unklar
Nach den tödlichen Schüssen im Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen (Kreis Böblingen) hat die Polizei am Freitag die 17-köpfige Ermittlungsgruppe "Halle" eingerichtet. Der mutmaßliche Täter hat bei seiner Vorführung vor dem Haftrichter die Möglichkeit gehabt, sich zur Tat zu äußern, so Staatsanwaltschaft und Polizei. Er habe jedoch "keinerlei Angaben gemacht".
Insofern bleibt die große Frage nach dem Warum, den Hintergründen der tödlichen Schüsse, bei denen am Donnerstag zwei 44 Jahre alte Männer starben. Die Staatsanwaltschaft sagte am Freitagmorgen nur, dass nichts ausgeschlossen werde.
Schweigeminute bei Mercedes am Montag
Die Tat hallt auch noch bei Mercedes-Benz nach: An der Halle 56, in der die Schüsse fielen, hängen seit Freitag drei Kränze. Ein Mercedes-Sprecher sagte, es seien zwei Kränze für die beiden getöteten Männer und ein allgemeiner. Die Produktion in dieser Halle ruht nach Unternehmensangaben bis diesen Sonntag. Am Montag soll es eine Schweigeminute im Werk Sindelfingen geben. Wie ein Unternehmenssprecher berichtete, sind Beschäftigte auch an anderen Standorten des Autobauers eingeladen, zu diesem Zeitpunkt innezuhalten. Vor Ort in Sindelfingen wurde außerdem ein Trauerraum eingerichtet.
Tatwaffe war wohl illegale Pistole
Klar ist mittlerweile, dass die tödlichen Kugeln aus einer Pistole abgefeuert wurden, die der mutmaßliche Täter vermutlich illegal besessen hat. Eine Erlaubnis, Waffen zu besitzen, habe er nicht gehabt, so die Ermittlerinnen und Ermittler.
Schüsse in der Frühschicht
In Sindelfingen ist die Betroffenheit groß, viele können kaum glauben, was sich am Donnerstagmorgen im Mercedes-Benz-Werk zugetragen hat. Nach Angaben der Polizei fielen die Schüsse gegen 7:45 Uhr bei laufender Produktion in der Halle 56. Viele Mitarbeitende seien Zeugen der Tat geworden, so ein Polizeisprecher.
Ein 44-jähriger Mann wurde tödlich und ein weiterer schwer verletzt. Er erlag wenig später seinen Verletzungen. Die Polizei nahm kurz nach den Schüssen einen 53-jährigen Tatverdächtigen fest und stellte die mutmaßliche Tatwaffe sicher.
Der mutmaßliche Schütze wurde am Donnerstagnachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Dieser erließ gegen den 53-jährigen türkischen Staatsangehörigen einen Haftbefehl wegen Totschlags in zwei Fällen. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Einzeltäter aus.
Werksschutz von Mercedes überwältigt Tatverdächtigen
Wie die Polizei mitteilte, hatten Mitarbeitende des Werksschutzes den Tatverdächtigen kurz nach den Schüssen überwältigt. Sie hielten den Mann in der Halle fest und übergaben ihn an die Polizei. Der Tatverdächtige habe sich widerstandslos festnehmen lassen. Für die Bevölkerung bestand keine Gefahr.
Schock in Sindelfingen nach tödlichen Schüssen sitzt tief
"Die tragischen Nachrichten aus Sindelfingen haben uns zutiefst geschockt", sagte ein Mercedes-Benz-Sprecher am Donnerstag. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und allen Kolleginnen und Kollegen vor Ort."
"Wir sind alle tief betroffen. Es ist ein schlechter Tag für die Stadt, für das Werk und wir denken an die Menschen", erklärte Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) gegenüber dem SWR. In solchen Situationen sei man im engen Kontakt mit dem Werk und den Einsatzkräften. "Das ist eine ganz enge Verbindung von Werk und Stadt. Wir haben auch viel Verunsicherung aus der Bevölkerung wahrgenommen", so Vöhringer. Zu dem Zeitpunkt sei allerdings noch nicht bekannt gewesen, dass der mutmaßliche Täter gefasst wurde.
Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schockiert über die Tat. Ein Kollege eines Opfers sagte dem SWR:
"Ich habe kein gutes Gefühl dabei, jetzt zur Arbeit zu gehen", erklärte ein anderer Mitarbeiter. "Ich kannte die zwei Kollegen. Ich komme immer noch nicht klar, was passiert ist." Gerade wisse er nicht, wie er arbeiten solle.
Betroffene psychologisch betreut
Die Mitarbeitenden der betroffenen Halle wurden psychologisch betreut, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Die Produktion im Werk laufe normal weiter. Nur die betroffene Werkhalle bleibt zunächst geschlossen. In der betroffenen Halle rollen neben der E-Klasse auch die S-Klasse sowie deren elektrisches Pendant EQS vom Band. Dort arbeiten 1.500 Personen in zwei Schichten. Am gesamten Standort sind es etwa 35.000 Mitarbeitende.
Bei den beiden Toten und dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um Mitarbeiter der Firma Rhenus, die als externer Dienstleister auf dem Werksgelände tätig ist. Dies sagte eine Sprecherin des Logistikdienstleisters. Nähere Angaben wurden auf Nachfrage nicht gemacht.
Anteilnahme auch von Politikern aus BW
Auch Politikerinnen und Politiker äußerten sich über den Kurznachrichtendienst Twitter zu den Vorkommnissen. Der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schrieb: "Was für schreckliche Nachrichten aus Sindelfingen. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen. Den Verletzten wünsche ich schnelle und gute Besserung."
Der baden-württembergische SPD- und Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch teilte mit: "Die Nachrichten aus Sindelfingen sind bestürzend. Meine Gedanken gelten den Opfern und ihren Angehörigen." Auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) drückte ihre Anteilnahme über Twitter aus. Özdemir, Stoch und Aras bedankten sich in ihren Mitteilungen auch bei den Einsatzkräften vor Ort.
Zweiter gewaltsamer Angriff auf Werksgelände
Bereits vor über einem Jahr gab es einen Vorfall auf dem Werksgelände von Mercedes-Benz in Sindelfingen. Ein Mann war im Februar 2022 mit einem Kleinbus über das Gelände gerast. Zuvor hatte er eine Schranke durchbrochen. Die Polizei stoppte ihn mit einem Schuss ins Bein.