Fahrräder, die man sich über eine App ausleihen kann, sieht man vielerorts in der Region Stuttgart. Doch gerade kleinere Kommunen beschweren sich über zu hohe Kosten.
Kleine Städte und Gemeinden möchten aus dem Projekt RegioRad Stuttgart aussteigen. Das Angebot sei zu teuer, Räder oder Pedelecs seien zu oft kaputt, die Nutzung sei zu gering. Auch Michael Makurath (parteilos), Oberbürgermeister von Ditzingen (Kreis Ludwigsburg), kritisiert das Projekt. Anfangs sei RegioRad besser gelaufen, inzwischen wären die Ausleihen zurückgegangen. In größeren Städten wie Stuttgart, Plochingen oder Ludwigsburg werden die Ausleihstationen besser angenommen.
Je nach Tarif: Wer eine jährliche Grundgebühr von drei Euro bezahlt, kann Fahrräder die erste halbe Stunde und Pedelecs die ersten 15 Minuten kostenlos benutzen. Danach fallen Minutengebühren im einstelligen Centbereich an. Die Kosten aber, die sich für die Städte und Kommunen ergeben, sind umso höher. Die Stadt Ditzingen zahlt 70.000 Euro im Jahr an die Bahntochter "Deutsche Bahn Connect". Diese betreibt das örtliche Angebot RegioRad Stuttgart in Kombination mit dem eigenen Angebot "Call a Bike".
RegioRad Stuttgart: Erst erfolgreich, dann kam Corona
"Wir haben uns überlegt, welche Modelle es gibt, die Menschen vom Auto auf andere Verkehrsmittel zu bringen", erklärt Makurath. Daher habe sich Ditzingen entschieden, bei dem Projekt RegioRad Stuttgart mitzumachen. Seit 2018 gibt es fünf Ausleihstationen, unter anderem eine in der Innenstadt und am Bahnhof. Pedelecs - also E-Bikes, Fahrräder und sogar ein Lastenfahrrad können hier gebucht werden. "Wir wissen im Nahverkehr: Es dauert, bis die Menschen umsteigen", sagt Makurath.
Doch es dauerte gar nicht so lange, die Zahlen stiegen drei Jahre lang an. Über tausend Ausleihen im Jahr gab es 2020 in Ditzingen. "Und dann kam Corona." Die Ausleihzahlen seien stark zurückgegangen. Makurath hat eine Vermutung, woran das liegen könnte: "Während der Pandemie haben sich viele dann ein eigenes E-Bike gekauft."
165 Euro pro ausgeliehenem Rad oder Pedelec
Das Ergebnis für das erste Halbjahr 2024 in Ditzingen: Nur noch 212 Räder wurden ausgeliehen. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr zahlt die Stadt Ditzingen also bei 70.000 Euro Gebühr an die Bahn aktuell rund 165 Euro pro ausgeliehenem Rad. Der Oberbürgermeister versucht es positiv zu formulieren: "Hätten wir es nicht ausprobiert, wüssten wir nicht, ob es angenommen wird. Sonst würden wir nur drüber reden." Daher sei es den Versuch auf jeden Fall wert gewesen. Vielleicht habe man den Leuten damit auch dauerhaft das Radfahren schmackhaft gemacht.
Dazu komme: Oft seien die Fahrräder kaputt oder die Ausleihe an den Stationen funktioniere nicht. Auch der Gemeinderat Ditzingen hat erst vor wenigen Wochen in einer Sitzung Kritik geäußert. Das Ausleihsystem sei zu teuer und werde zu wenig genutzt.
RegioRad: Bessere Zahlen in Stuttgart
Auch Ralf Maier-Geißer von der Landeshauptstadt Stuttgart bestätigt, dass die Zahlen seit Corona zurückgegangen sind. Er ist der Gesamtkoordinator von RegioRad Stuttgart. "Die Verleihzahlen von RegioRad Stuttgart verharren seit Corona sowohl in der Landeshauptstadt als auch in der Region auf niedrigem Niveau", erklärt er dem SWR. Dabei würde die Stadt Stuttgart aber deutlich an der Spitze liegen. Im Jahr 2023 seien insgesamt knapp 75.000 Räder ausgeliehen worden, davon rund 54.00 in Stuttgart und gut 21.00 in den Kommunen außerhalb der Landeshauptstadt.
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Er betont aber auch, dass es bei Regio Rad auch um ein nachhaltiges Mobilitätsangebot an die Stadtgesellschaft und Besucher der Stadt gehen würde. "So können sie sich niederschwellig und kostengünstig in der Stadt fortzubewegen." Die Statistik von RegioRad Stuttgart zeigt deutlich: Die Ausleihstationen in der Stadt Stuttgart (vor allem am Marienplatz und in der Königstraße), Plochingen (Kreis Esslingen) sowie Ludwigsburg sind am stärksten frequentiert. Doch außerhalb dieser Städte sind die Ausleihzahlen überschaubar.
Wird RegioRad Stuttgart weitergehen?
Der Vertrag zwischen RegioRad Stuttgart und der Deutschen Bahn Connect läuft 2026 aus. Wie es dann weitergeht, ist noch unklar. Man habe das Projekt als Versuch verstanden, ob das System auch über Stuttgarts Stadtgrenzen hinaus funktioniert, so Oberbürgermeister Makurath. Aber wenn es um die Fortführung eines solchen Projektes in Ditzingen geht, sei er zurückhaltend. Das würden seiner Meinung nach auch andere Kommunen und Städte außerhalb von Stuttgart so sehen.
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Der Gesamtkoordinator Ralf Maier-Geißer erklärt, man befinde sich in einem Analyse- und Findungsprozess. Die Kernfrage sei, ob sich die Städte und Kommunen an einem Folgeangebot beteiligen wollen. Das sei ein Prozess, der noch Zeit in Anspruch nehme. Aber eine Fortführung des Projekts RegioRad Stuttgart sei durchaus möglich - wenn auch vielleicht nicht mehr in der Größenordnung wie bisher.
Renningen hat bereits RegioRad beendet
Manche Gemeinden sind bereits ausgestiegen, bestätigt Maier-Geißer. Dabei hätte es sich um Städte oder Kommunen gehandelt, die am äußersten Rande des RegioRad-Angebots liegen würden. So hat zum Beispiel Renningen (Kreis Böblingen) die Ausleihstationen in ihrem Ort aufgegeben. Die Bahn habe in Absprache mit den Verantwortlichen eine Möglichkeit gefunden, wegen der geringen Nachfrage schon vorzeitig das Vertragsverhältnis zu beenden.
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