Uwe T. erkrankt nach erschütternden Einsätzen psychisch. Die Unfallversicherung pocht auf Vorschriften und sieht keine Berufskrankheit vorliegen. Doch nun steigen seine Chancen.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei Rettungssanitäterinnen und -sanitätern kann wie eine Berufskrankheit betrachtet werden - auch wenn sie nicht in der offiziellen Liste des Berufskrankheiten auftaucht. Das hat das Bundessozialgericht in Kassel am Donnerstag entschieden. Rettungssanitäter hätten bei der Arbeit ein hohes Risiko, mit traumatisierenden Ereignissen konfrontiert zu werden, entschied das Bundessozialgericht. Dies könne nach wissenschaftlichem Stand eine Ursache für PTBS sein.
Fall landet wieder vor dem Landessozialgericht
Dennoch ist der Fall des Ex-Sanitäters noch nicht abschließend entschieden: Ob speziell bei ihm PTBS vorliegt und dies außerdem berufliche Ursachen hat, muss nun erst noch geklärt werden. Die Richter in Kassel haben das Verfahren deshalb wieder an das Landessozialgericht in Stuttgart zurückverwiesen, vor dem Rettungssanitäter Uwe T. schon einmal unterlag.
Der Fall Uwe T.: Irgendwann war es zuviel
27 Jahre lang war Uwe T. Rettungssanitäter und hatte beim Roten Kreuz in Esslingen in dieser Zeit rund 28.000 Einsätze. Dabei sah er beispielsweise Schwerverletzte, auch verbrannte und grausam zugerichtete tote Menschen. Jahrelang steckte er die Einsätze weg. Am 11. März 2009 kam es zum Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und dann in einem Autohaus in Wendlingen (Kreis Esslingen). Ein damals 17-Jähriger erschoss dabei 15 Menschen und sich selbst, weitere Opfer wurden zum Teil schwer verletzt.
Uwe T. sollte an diesem Tag mit Kollegen zunächst nach Winnenden. Doch dann wurden sie nach Wendlingen geschickt, wo der Amokläufer in einem Autohaus einen Verkäufer und einen Kunden und anschließend sich selbst tötete. Einige Jahre später wurde Uwe Z. bei seiner Arbeit mit dem brutalen Tod von zwei jungen Frauen konfrontiert. Nach diesen Erlebnissen war Uwe T. ständig müde und erschöpft und reagierte immer gereizter - auch gegenüber der eigenen Familie.
Posttraumatische Belastungsstörung durch den Job?
Ein Arzt diagnostizierte bei Uwe T. eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die durch permanent extreme Belastung ausgelöst werden kann. Seit 2016 ist der Rettungssanitäter erwerbsunfähig und bekommt Geld von der Rentenversicherung, seine Traumatherapie bezahlt die Krankenkasse. Um die Therapie fortsetzen zu können, muss er aber ständig neue Anträge stellen und auch die Rente könnte höher sein. Doch die gesetzliche Unfallversicherung weigert sich, seine Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen.
Gesetzliche Unfallversicherung zahlt bei anerkannten Berufskrankheiten
Die gesetzliche Unfallversicherung ist eine Pflichtversicherung. Sie muss die Kosten für die Behandlung von Krankheiten oder Unfallfolgen übernehmen - wenn diese bei der Arbeit oder durch sie entstehen. Dafür müssen aber zwei Punkte klar erwiesen sein, verlangt das Bundessozialministerium, das für die Liste der rund 80 anerkannten Berufskrankheiten zuständig ist: Zum einen muss ein direkter Zusammenhang zwischen der Arbeit und der Erkrankung erwiesen sein. Zum anderen müssen die Betroffenen solchen schädlichen Einflüssen deutlich öfter ausgesetzt sein als Menschen in anderen Berufen.
Berufskrankheiten: Bandscheiben-Probleme zählen dazu
Anerkannte Berufskrankheiten sind zum Beispiel die Lärmschwerhörigkeit von Bauarbeitern; Erkrankungen durch Schwefelwasserstoff oder Kohlenmonoxid; bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbel- oder Lendenwirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten; oder das sogenannte Augenzittern von Bergleuten. Eine Posttraumatische Belastungsstörung ist bislang nicht als Berufskrankheit anerkannt.
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Grundsätzliche Bedeutung des Urteils
Die Ablehnung der Unfallversicherung gerät nun ins Wanken, denn Uwe T. bekam vor dem Bundessozialgericht in einem Punkt recht: eine Posttraumatische Belastungsstörung kann bei seiner Berufsgruppe als sogenannte "Wie-Berufskrankheit" anerkannt werden. Das könnte weitere Anträge von ähnlich belasteten Berufskollegen des Ex-Rettungssanitäters bei der Unfallversicherung zur Folge haben. Für den mittlerweile in Bayern lebenden Uwe T. geht der Streit mit der Unfallversicherung nach dem Urteil nun in eine neue Runde.