In der Not vereint: Eltern und Kita-Mitarbeitende demonstrierten am Freitag gemeinsam in Stuttgart bei der "Kitastrophe". Sie forderten bessere Betreuung und Arbeitsbedingungen.
Für sie alle ist das Maß voll: In der Region Stuttgart haben sich Erzieherinnen, Erzieher, Eltern und Großeltern unter dem Namen "Kitastrophe" zusammengeschlossen. Diesen Freitagnachmittag machen sie alle mit einer Kundgebung und einer Demonstration in Stuttgart auf die Lage in den Kitas und Kindergärten in und um Stuttgart aufmerksam. Um die 1.800 Menschen waren laut Veranstalter bei dem Demonstrationszug dabei. Vor dem Stuttgarter Rathaus machten sie ihrem Ärger mit Plakaten und viel Phantasie Luft.
Denn: Die Rahmenbedingungen für die Betreuung in Kitas und Kindergärten hat sich immer noch nicht verbessert - und Eltern müssen die Situation ausbaden. Die zentralen Forderungen der "Kitastrophe Stuttgart" sind unter anderem ein guter Betreuungsschlüssel, bessere Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher, Entlastung gerade für arbeitende Eltern.
Familie am Limit: Ein Beispiel aus Stuttgart-Süd
Denn die Familien sind am Limit - wie etwa diese aus Stuttgart-Süd, die dem SWR ihre Lage schildert. Eine Szene aus dem alltäglichen Wahnsinn: Emilia, Vincenzio und Allessandro wollen spielen. Ihr Vater arbeitet Vollzeit, Mutter Agnes ist mit den drei Kindern allein zu Hause. Mal wieder gab es kurzfristig keine Betreuung.
Emilia (9) geht schon in die Schule. Für Vincenzio (7) und Allessandro (1) ist Agnes darauf angewiesen, dass Kita und Kindergarten geöffnet sind. Mehr noch: Weil Vincenzio das Down-Syndrom hat, braucht er besondere Betreuung. Wenn diese ausfällt, hat seine 35-jährige Mutter ein großes Problem und muss selbst einspringen.
Als Erzieherin und Mutter gleich doppelt betroffen
"Es ist anstrengend und schwierig, dadurch, dass ständig Notbetreuung ist", sagt sie. "Da muss man immer drauf hoffen, dass morgens keine E-Mail reinkommt, dass gar keine Betreuung ist." Für die 35-Jährige bedeutet das: viel Stress, wenig Schlaf, doppelte Belastung. Denn Agnes arbeitet selbst mit 63 Prozent als Erzieherin. Mal muss also ihr Mann frei nehmen, mal sie - oder sie nimmt ihren mittleren Sohn mit zur Arbeit.
Die Not der Eltern, die Not der Erzieherinnen und Erzieher: Agnes kennt beide Seiten. "So oft, wie die Betreuung ausfällt, so viel Urlaub hat man gar nicht fürs Jahr." Agnes und ihr Mann wissen nicht, wie sie das auf Dauer und mit mehreren Kindern hinkriegen sollen.
Fehlende Kitaplätze und Fachkräfte im Land
Der Einblick in die Stuttgarter Familie zeigt die Probleme ebenso auf wie die bloßen Zahlen: Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen in Baden-Württemberg aktuell rund 57.600 Kitaplätze und 16.800 Fachkräfte. Seit Jahren fordern die Erzieherinnen und Erzieher mehr Geld, bessere Ausstattung und vor allem einen höheren Personalschlüssel. Mehrfach haben sie in den letzten Jahren gestreikt, auch in Baden-Württemberg.
Für Agnes ist eine Betreuungsgarantie das wichtigste. Deswegen will sie diesen Freitag bei der "Kitastrophe"-Demonstration mit. Sie will ihren Job gut machen und den verschiedenen Bedürfnissen von Kindern nachkommen können. Sie und ihr Mann wollen schlichtweg Familie und Beruf besser vereinbaren können. Das trifft die zentralen Forderungen der Initiative "Kitastrophe".