Über 30 Wohnungen bis 2025 mit Vonovia

"Housing First" in Stuttgart: Projekt vermittelt Wohnraum an Obdachlose

Stand
Autor/in
Maxim Flößer
Maxim Flößer arbeitet im SWR Studio Stuttgart.

Das bundesweite Projekt "Housing First" gibt es jetzt auch in Stuttgart. Dabei werden für obdachlose Menschen Wohnungen zur Verfügung gestellt - ohne überfordernde Auflagen.

Mindestens 5.350 Menschen in Stuttgart haben keinen festen Wohnsitz, rund 150 von ihnen sind permanent obdachlos. Für viele ist es ein Teufelskreis: Ohne Wohnung kriegen sie keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld keine Wohnung. Das Projekt "Housing First" will da Abhilfe schaffen.

Ohne Wohnung keine Hoffnung

Viel ist es nicht, was Francesco Bonanno noch besitzt. Eine wasserdichte Plane, ein Schlafsack, etwas Tabak. Seit sieben Monaten ist der ehemalige Lkw-Fahrer obdachlos. Nichts wünscht er sich mehr als eine Wohnung in Stuttgart, ein sicheres und warmes Zuhause. Eine Zeitlang hat Bonanno in Stuttgarter Notunterkünften für wohnungs- und obdachlose Menschen gelebt. Doch dort hat er sich nicht wohlgefühlt.

Denn die Menschen, die von der Straße kommen, hätten keine Perspektive mehr und keine Hoffnung, sagt Bonanno. Da sei dann alles egal. "Und die meisten konsumieren und trinken auch sehr viel. Und wenn viele Menschen in der Weise zusammen sind - das artet aus", so Bonanno. Er möchte sich selbst diesem Kreislauf entziehen.

Obdachloser Francesco Bonanno
Der ehemalige LKW-Fahrer Francesco Bonanno lebt seit sieben Monaten auf der Straße

"Die Menschen, die von der Straße kommen, die haben keine Perspektive mehr, keine Zukunft, keine Hoffnung. Da ist alles egal. Und die meisten konsumieren und trinken auch sehr viel. Und wenn viele Menschen in der Weise zusammen sind - das artet aus."

Überforderung statt schnelle Hilfe

Damit Menschen wie Francesco Bonanno in Stuttgart eine Wohnung erhalten, müssen sie eine Reihe von verschiedenen Maßnahmen durchlaufen. Lange Wartezeiten, Beratungstermine, das Ausfüllen von Anträgen. Und häufig gibt es keine Perspektive auf eine langfristige Unterkunft. Dadurch bleiben wohnungslose und obdachlose Menschen häufig länger als vorgesehen im System der Wohnungsnotfallhilfe oder verharren in ihrer auswegslosen Situation.

Flyer von "Housing First Stuttgart"
Bei Housing First Stuttgart vermittelt man wohnungslosen Menschen erst eine Wohnung und kümmert sich dann mit ihnen gemeinsam um ihre Probleme. Die Miete übernimmt das Jobcenter.

"Housing First": erst Wohnung, dann Papierkram und mehr

Das bundesweite Projekt "Housing First" will jetzt auch in Stuttgart einen anderen Weg ebnen. Hier wird als Erstes eine geeignete Wohnung an Wohnungslose vermittelt, und dann werden alle weiteren Angelegenheiten geklärt. Seit 2022 vermittelt das Projekt in Stuttgart Wohnungen mit unbefristeten Mietverträgen. Getragen wird es aus einem Verbund verschiedener sozialer Einrichtungen, unter anderem von der Caritas, der "Ambulanten Hilfe e.V." und der "eva" - Evangelische Gemeinde Stuttgart e.V..

Svenja Köstler und Patricia Balija, Mitarbeitende bei Housing First Stuttgart
Svenja Köstler und Patricia Balija, Mitarbeitende bei Housing First Stuttgart

"In den meisten betreuten Einrichtungen muss man erstmal nach dem Hilfebedarf gucken, den eine Person mitbringt. Das ist schon immer unter der Prämisse 'Hilfe zur Selbsthilfe'. Aber es gibt dabei immer eine Perspektive, die nicht unendlich ist. 'Housing First' versucht, diese Schleife zu durchbrechen."

In den meisten betreuten Einrichtungen müsse man erstmal nach dem Hilfebedarf gucken, den eine Person mitbringt, sagt Svenja Köstler, von "Housing First" Stuttgart. "Das ist schon immer unter der Prämisse 'Hilfe zur Selbsthilfe'. Aber es gibt dabei immer eine Perspektive die nicht unendlich ist. 'Housing First' versucht, diese Schleife zu durchbrechen", so Köstler.

Bisher konnte das Projekt 14 Haushalte mit Wohnungen versorgen, bis 2025 sollen es insgesamt 50 in Stuttgart sein. Bundesweit leben rund 262.000 Menschen auf der Straße, bis 2030 will die Bundesregierung für diese Menschen Wohnraum schaffen.

Umstrittenes Immobilienunternehmen Vonovia unterstützt Projekt

Auch Francesco Bonanno suchte immer wieder nach einer Unterkunft. Rund 500 Euro Erwerbminderungsrente hat er zur Verfügung. Doch der Wohnraum ist in Stuttgart angespannt, auch "Housing First Stuttgart" sucht nach geeigneten Wohnungen für Menschen wie ihn.

Um das Projekt in der Suche zu unterstützen, hat sich das Immobilienunternehmen Vonovia im Rahmen eines Kooperationsvertrages verpflichtet, bis 2025 mindestens 30 geeignete Wohnungen aus dem eigenen Bestand an "Housing First" zu vermitteln. Vonovia ist das größte Immobilienunternehmen in Deutschland, alleine in Stuttgart gehören ihm rund 4.200 Wohneinheiten. Dabei steht Vonovia immer wieder in Kritik, zuletzt wegen Verdacht auf Korruption.

45 Quadratmeter, 500 Euro kalt, steuerfinanziert

Noch ist Bonanno nicht im Kontakt mit "Housing First". Gemeinsam mit dem SWR und Vonovia konnte er trotzdem bereits eine Wohnung besuchen, die Vonovia an das Projekt vermittelt hat. 45 Quadratmeter groß, große Fenster, anderthalb Zimmer in Stuttgart-Vaihingen. Miete: 500 Euro kalt. Da Menschen wie Francesco Bonanno nur über ein kleines oder gar kein Einkommen verfügen, zahlt das Jobcenter die Miete, finanziert durch Steuergeld. Das Geld geht dann an Vonovia.

Olaf Frei, Pressesprecher Vonvovia
Olaf Frei, Pressesprecher Vonvovia

"Wir sind in Stuttgart das einzige Unternehmen, das schon so viele Wohnungen angeboten hat. Wir denken, dass dieser Weg, bei "Housing First" die Wohnungen immer als erstes und zu marktüblichen Preisen anzubieten, genau der richtige ist."

Eine eigene Wohnung zu haben, wäre für Francesco Bonanno das Größte. Aktuell ist er noch nicht an das Projekt angebunden, die Warteliste ist lang. Doch vermutlich wird er sich bei "Housing First" melden.

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