Reisende brauchen am Hauptbahnhof Stuttgart viel Geduld und einen guten Spürsinn, um den Weg zu finden. Aber es gibt Hilfsangebote - manchmal auch von unerwarteter Seite.
Die Wege am Stuttgarter Hauptbahnhof sind lang und nicht immer leicht zu finden. Während die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm in wenigen Tagen in Betrieb gehen wird, ist hier noch eine große Baustelle. Vor allem ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen tun sich schwer, zum Gleis, zum Ausgang oder etwa zum S-Bahn-Gleis zu finden. Durch die S21-Baustelle ändern sich die Wege immer wieder.
Verwirrendes Leitsystem durch S21-Baustelle
Es gibt die Leitlinien auf dem Boden, die den Weg weisen. Inzwischen hat die Bahn auch große Hinweistafeln über den Köpfen angebracht, wahrscheinlich, weil viele sich automatisch eher nach oben als nach unten orientieren.
Es gibt auch Helfer und Helferinnen der Deutschen Bahn, die bereit stehen, um Fragen zu beantworten oder Reisende mit Beeinträchtigungen zu den Gleisen zu begleiten.
Tagsüber ist auf dem Bahnhof immer viel los. Eine Frau mit Krücken kommt zu den Gleisen. Sie habe sich vorher genau informiert, wo sie abgesetzt werden will, berichtet sie. "Das war dann klar, vorne, vor dem Bahnhof, das geht gar nicht, weil der Weg viel zu lang ist bis zu den Gleisen." Sie ist froh, dass sie am Nebeneingang an der Bank aussteigen konnte. Aus der anderen Richtung kommt eine Frau mit Rollkoffer, die sichtbar genervt ist. Inzwischen kenne sie sich ja aus. "Aber ich verfluche es mittlerweile, weil es so aufwändig ist. Man muss viel früher los."
Bahnhofsmission: Die längeren Wege kosten Zeit
Mehr Zeit braucht auch die Bahnhofsmission in Stuttgart. Die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen stehen bereit, um etwa den Weg zu weisen. Weil aber inzwischen die Wege so lang geworden sind, etwa von der S-Bahn nach oben zu den Fernzug-Gleisen, brauchen die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission für diese Hilfe viel länger als sonst, so die Leiterin Antje Weber. Dadurch könnten sie anderen, die gerade ratlos am Gleis stehen, nicht helfen. Da fehle der Bahnhofsmission das Personal.
Taxi-Fahrer als Notnagel und Helfer
In ihrer Verzweiflung, wenn sie keine Hilfe finden, fahren manche Reisende dann mit dem Taxi, obwohl sie eigentlich in die S-Bahn oder U-Bahn umsteigen wollten. Diese Erfahrung macht auch Iordanis Georgiadis von der Taxi-Auto-Zentrale Stuttgart.
Georgiadis sieht das Wirrwarr-Problem aber nicht bei der Deutschen Bahn, sondern schlicht in der Größe des Bauprojekts und den sich ständig ändernden Gegebenheiten.
Ayhan fährt seit 30 Jahren Taxi. Ihm tun vor allem die älteren Leute mit Gepäck leid, denen helfe er auch mal bis ans Gleis. Er fahre vor allem beeinträchtigte Menschen auch gerne so nahe wie möglich an die Gleise, seitlich bei der Bank. Aber da ist ein absolutes Halteverbot und deswegen hat er dort schon Strafzettel kassiert. Darüber ist er richtig sauer: "Wie sollen alte Leute mit Gepäck von hier, vom offiziellen Taxistand, bis zu den Gleisen laufen?" Das seien immerhin über 500 Meter. Es werde immer schlimmer, sagt Ayhan.
ÖPNV: Immer eine Herausforderung für beeinträchtigte Menschen
Für mobilitätseingeschränkte Menschen sei Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln immer ein Problem, sagt die Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung BW, Jutta Pagel-Steidl. Daher wolle sie nicht auf die Bahn schimpfen. Das sei beispielsweise in Berlin genauso schwierig wie in Stuttgart. Wer sich zuhause vorab informiere,oder den Mobilitätsdienst der Deutschen Bahn nutze, habe es deutlich leichter, so Pagel-Steidl.