Bei einer Debatte in Stuttgart mit Firmenchefs zeigen Jugendliche, dass Sorgen mit Blick auf die Arbeitsmoral der Jugend Vorurteile sind. Was sollte sich an der Arbeitswelt ändern?
Jugendliche hängen doch permanent nur am Handy, heißt es. Sie seien arbeitsscheu und unselbstständig. Was bedeutet das für die Arbeitswelt? Will diese Generation eigentlich nur "chillen" und verkauft das als gesunde "Work-Life-Balance"? Im Stuttgarter Renitenztheater kommen Jung und Alt zu einer Art "Generationen-Challenge" zusammen. Beim Format "Jump into the Future" (also "Sprung in die Zukunft") geht es um ihre Werte und Ziele.
Auf der einen Seite der Bühne sitzen an diesem Abend "die Jungen": Fünf Gymnasiastinnen zwischen 16 und 17 Jahren, die sogenannte "Generation Z". Auf der anderen Seite sitzt die Arbeitswelt: Hanno Höhn, Ende 50, CEO des Luftfilter-Herstellers Mann + Hummel. Neben ihm Alexander Pietzsch, ein Filmproduzent Mitte 30. Beide vertreten also die sogenannte "Generation X" und "Generation Y".
Arbeitsscheu oder gesunde Work-Life-Balance?
Wenn die Schülerinnen hören, ihre Generation handele nur auch egoistischen Motiven, ärgert sie das. "Wie kann das egoistisch sein, wenn ich darauf achte, dass es mir gut geht? Ich will ja, dass alle auf ihr persönliches Wohlergehen achten. Das ist ja auch im Sinne des Arbeitgebers. Wenn ich mich nicht voll auf meine Arbeit konzentrieren kann, dann profitiert auch mein Arbeitgeber nicht", gibt Schülerin Lena zu bedenken.
Es gab sie schon immer: Vorurteile gegenüber der "Jugend von heute": Respektlos und faul soll sie sein. Die Jugendlichen würden ja immer doofer, Allgemeinbildung sei ein Fremdwort für sie. Seit der Antike finden sich Belege für den andauernden Generationenkonflikt. Schon Aristoteles soll gewettert haben: "Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen." Auch die "Generation Z" oder auch "Gen Z", geboren zwischen 1995 und 2010, hat mit hartnäckigen Vorurteilen zu kämpfen.
Gen Z: Prägung durch Corona und Homeoffice
Die Fetzen fliegen an diesem Abend in Stuttgart zwar nicht auf der Bühne. Aber ein bisschen Kopfschütteln ist da schon bei den Schülerinnen zu bemerken, wenn CEO Hanno Höhn sagt:
Schülerin Helen ist sich aber sicher: Wer nachts um 23 Uhr noch E-Mails beantwortet, der hat ein Problem. Das von einigen Arbeitgebern verteufelte Homeoffice sieht sie hingegen nicht als Problem. Für ihre Generation fiel Corona in eine prägende Zeit: Sie mussten dabei lernen, im Homeoffice produktiv für die Schule zu sein und trotzdem Grenzen zu setzen. So habe man ein anderes Arbeiten gelernt. Corona habe die Bedürfnisse vieler junger Menschen verändert und dem müsse die Arbeitswelt jetzt auch Rechnung tragen.
Vier-Tage-Woche als Modell der Zukunft für die Gen Z?
Die jungen Frauen haben kleine Impulsreferate vorbereitet. Sie drehen sich um Burnout, Work-Life-Balance oder die Vier-Tage-Woche. Das Modell wird heiß diskutiert und scheint mit Blick auf den Fachkräftemangel und das Bedürfnis der Jungen nach mehr Flexibilität interessant.
Erfahrungen decken sich mit Betrieb in Widdern Studie zur 4-Tage-Woche: 73 Prozent wollen sie behalten
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Schülerin Helen erklärt: Wenn man finanzielle Sicherheit habe und die Lebenshaltungskosten decken könne, seien viele offen für die Vier-Tage-Woche. Belgien hat schon Ende 2022 das Modell eingeführt - bei vollem Lohn und Arbeitszeitausgleich. Auch in anderen Ländern gibt es Pilotprojekte. Und es wird geprüft, wie sich die Vier-Tage-Woche umsetzen ließe und wo es nicht funktioniert.
Und was sagen die Firmenchefs zur Vier-Tage-Woche? Das Modell sei mit seiner Selbstständigkeit nicht zu vereinen, meint Filmemacher Alexander Pietzsch. In seiner Firma gebe es zwar Mitarbeitende, die nur vier Tage die Woche arbeiten. Allerdings gelte es zu bedenken, wie viel Aufwand an dem Modell hängt. Eine Person müsse erst einmal eingearbeitet werden und auch Team-Building spiele eine Rolle.
Firmenchef zweifelt an dem Modell Vier-Tage-Woche
Außerdem werde alles immer schnelllebiger, merkt Alexander Pietzsch an. Ideal sei das Modell für viele nicht und bringe auch keine Erleichterung oder weniger Stress mit sich. Aber: Die Flexibilität habe sich schon am Markt durchgesetzt. Keiner wolle seine Zeit verschwenden, wenn man in kürzerer Zeit etwas effizienter erledigen kann.
Auch Hanno Höhn gibt zu bedenken, was denn als nächstes kommen solle: Nach der Vier-Tage-Woche dann die Drei-Tage-Woche? Durch die Digitalisierung gebe es immer mehr Produktivitätsfortschritte. Und das gehe ja auch noch in Zukunft so weiter. Aber: Was sollen die Menschen mit den freien Tagen machen? Am Ende würden sie einfach zusätzlich anderer Arbeit nachgehen. Und dann wolle er die Arbeitskraft doch lieber bei sich im Unternehmen halten, meint der Manager.
Was Chefs wie auch Gen Z wollen: gute und erfüllende Arbeit
Entgegen dem Klischee zeigen sich auch die Schülerinnen skeptisch, was sie mit der vielen freien Zeit anfangen sollten. Schülerin Charlotte ist überzeugt, ein Vorurteil, mit dem sich die Generation Z oft konfrontiert sieht, stimme bei ganz vielen tatsächlich.
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Auch wenn einige Vorurteile sicher nicht von der Hand zu weisen sind, am Ende der Diskussion hält Schülerin Caroline fest: "Ich glaube, wir alle hier wollen was aus uns machen und wir wollen eine gute Arbeit. Es ist oft nur ein kleiner Bruchteil von den Jungen, die keine Ziele haben. Aber das verallgemeinert man oft."
Firmenchef Höhn: Bildung als Schlüssel aktueller Probleme
Und auch CEO Hanno Höhn ist positiv überrascht. Er ist sich sicher, viele "Gen Z"-ler können durch ihre Digitalkompetenzen eine große Bereicherung für die Arbeitswelt sein. Aber er gibt zu bedenken: Die jungen Frauen auf dem Podium sind auf dem Gymnasium und haben ein Ziel vor Augen und viele Möglichkeiten. Aber man müsse auch alle anderen mitnehmen, fordert Höhn.
Deutschland sei ein Migrationsland geworden. Es fange bereits im Kindergarten an mit der Sprachförderung, um alle fit in der deutschen Sprache zu machen und damit auch "die Chancen der Zukunft" zu eröffnen, so der CEO. Es gehe darum, alle gut in die Gesellschaft zu integrieren. Dazu sei Bildung der Schlüssel.
Sinnhaftigkeit mit Blick auf Arbeit für alle wichtig
Insgesamt zeigt die Diskussion: So groß sind die Differenzen mit Blick auf die Arbeit gar nicht: Alle suchen nach einem Sinn in dem, was sie tun. Und alle wollen für etwas brennen. Dann ist auch "die Jugend von heute" durchaus bereit, viel zu arbeiten. Aber nicht, bis der Arzt kommt.
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