Viele Menschen haben wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite fehlen der Pflege Fachkräfte. In Stuttgart gibt es eine Lösung: die Ausbildung zum Servicehelfer.
In Stuttgart gibt es ein Programm, das dem Fachkräftemangel und der Arbeitsfülle vor allem in Pflegeberufen entgegenwirken soll. Die Ausbildung zur Servicehelferin oder zum Servicehelfer soll Fachkräften unter die Arme greifen und sie entlasten. Das Angebot wendet sich an alle, die sonst eher wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Ins Leben gerufen wurde es von der Robert Bosch Stiftung und wird unter anderem von dem Verein "Caro Ass e.V." mit Sitz im Kreis Böblingen organisiert.
Im Pflegeheim am Obertor in Esslingen: Mehtap Korkut ist Servicehelferin hier. Sie stellt an diesem Tag die Zeit und den Widerstand eines Heimtrainers ein. Sie weiß, Bewegung ist für ihre Gäste besonders wichtig. Heute ist Sporttag im Pflegeheim. Herr Konik kommt regelmäßig hier zur Tagespflege und setzt sich schnurstracks auf den Heimtrainer. Liebevoll wird er dabei umsorgt von Mehtap Korkut. Sie nimmt sich viel Zeit für die Bewohner und Tagesgäste. Es ist ein Job, der in Zeiten von Zeitdruck und Aufgabenfülle vor allem das Pflegepersonal entlasten soll.
Servicehelfer kümmern sich vor allem um die Seele der Menschen
Zeit haben, sich kümmern, den Menschen sehen. Mehtap Korkut schafft es, den Bewohnern ein gutes Gefühl zu geben, sie in den Mittelpunkt zu stellen. Nach dem Fahrradfahren geht es für sie und Herrn Konik rüber in den Aufenthaltsraum. Zum Mensch ärgere Dich nicht spielen. Gemeinsam mit drei anderen Bewohnern kommt dabei wenig Ärger auf. Er gewinnt immer, sagt Herr Konik. Widersprechen mag niemand. Und während Mehtap Korkut sich um die Seelen der Senioren kümmert, sorgt Raffael Bubble nebenbei für Abkühlung. Auch er ist Servicehelfer im Pflegeheim am Obertor in Esslingen. Bei der Hitze ist Trinken für alte Menschen besonders wichtig, weiß er. Er kommt mit einem großen Wagen voller Sprudelkisten reingefahren, stellt jedem der Spieler ein Glas vor die Nase und gießt den Sprudel ein. "Ich bin hier in der Haustechnik und versorge die Bewohner mit Wasser und Sprudel und kümmere mich um kleinere Reparaturen", sagt Raffael Bubble.
Derweil zieht Mehtap Korkut ihre blaue Figur nach vorne. Mensch ärgere Dich nicht spielen sie hier im Pflegeheim am Obertor besonders gern. Herr Konik führt bereits. Trotzdem scheinen sich hier alle wohl zu fühlen. Mehtap Korkut ist froh, dass sie die Ausbildung zur Servicehelferin machen durfte. Ob sie noch eine weitere Ausbildung machen möchte? "Nein", antwortet sie bestimmt. Ihre jetzige Stelle reiche ihr, hier könne sie viel Gutes tun.
Berufsbild Servicehelfer - deutschlandweit einzigartig
Ihre zweijährige Ausbildung zum Servicehelfer haben die Beiden im Wohlfahrtswerk in Stuttgart gemacht. Es ist ein deutschlandweit einzigartiges Programm und bietet Menschen eine Chance, die sonst eher wenig Chancen haben. "Ursprünglich war das eine ganz simple Idee, nämlich der Tatbestand, dass wir in unserer Gesellschaft junge Menschen haben, aber auch andere ältere Menschen, deren Startschwierigkeiten groß sind und die kaum eine Ausbildung bekommen und schon gar nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt", sagt Almut Satrapa-Schill. Sie hat gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung die Ausbildung ins Leben gerufen und sorgt jetzt mit ihrem Verein "Caro Ass e.V." für eine Weiterführung des Programms.
Die Ausbildung soll eine Chance fürs Leben sein
Schlechte Noten, Resozialisierung, Migrationsgeschichte. Das sind oft Gründe, warum sich Menschen auf dem Arbeitsmarkt trotz Fachkräftemangel schwer tun. Die Ausbildung zur Servicehelferin oder zum Servicehelfer will ein niederschwelliges Angebot anbieten, um sich überhaupt zu qualifizieren. Es ist eine Art Starthilfe, auch für Kim Schuhmacher und Benjamin Segi. Sie sitzen in der Sozialhelferklasse im Wohlfahrtswerk in Stuttgart. Das erste Jahr haben sie fast geschafft. Sie bereiten sich gerade auf die schriftliche Prüfung vor. Kim Schuhmacher möchte nach seiner Ausbildung zum Servicehelfer gerne Altenpfleger werden. Dafür war sein Hauptschulabschluss bisher zu schlecht. Benjamin Segi wusste nicht, was er nach seinem Schulabschluss machen soll. Durch ein Freiwilliges Soziales Jahr hat er die Motivation bekommen, die Ausbildung zum Servicehelfer zu ergreifen, sagt er.
Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Ihre Chancen nach den zwei Jahren Ausbildung einen Job zu bekommen sind sehr gut. Sie sind gefragt. Nicht nur in der Pflege. Sie sind vielfältig einsetzbar und schnuppern während ihrer Ausbildung in viele unterschiedliche Fachbereiche. Ob in der Haustechnik, der Kantine oder bei der Gartenarbeit, für viele Interessen gibt es Möglichkeiten eines beruflichen Einstiegs. Viele Servicehelfer bleiben aber nicht bei dieser Tätigkeit, sondern satteln noch eine weitere Ausbildung oben drauf. Es soll ein langsames Hinführen an das Arbeiten sein, an das Lernen, für manchen vielleicht sogar an das Leben.
Vorbild für ganz Deutschland
Und deshalb soll die Servicehelferausbildung Schule machen, zumindest wenn es nach den Initiatoren geht. In ganz Deutschland. Das sei wichtig, sagen sie, in einer immer akademisierteren Welt, in der nicht jeder mitkommt, viel Menschliches auf der Strecke bleibt, Fachkräfte fehlen. In der sich immer weniger Menschen fürs Ehrenamt interessieren, die Gesellschaft aber immer älter wird.
Bewerbungsfrist für nächsten Jahrgang
Der nächste Ausbildungsjahrgang zur Servicehelferin oder zum Servicehelfer startet im Herbst. Die Bewerbungsfrist läuft bis Mitte Juli. Bewerbungen kann man entweder ans Wohlfahrtswerk in Stuttgart richten, oder sich direkt an Einrichtungen wenden, die Servicehelfer einstellen.