Erneuerbare Energien

Biomasse in der Region Stuttgart: mehr als eine Nische?

Stand
Autor/in
Philipp Pfäfflin
Bild von Philipp Pfäfflin

Biomasse gilt als gute Ergänzung zu Wind- und Solaranlagen. Schließlich kann sie Schwankungen bei der Stromerzeugung ausgleichen. Doch gibt es in der Region Stuttgart genügend Flächen?

Die Bakterien in der Biogasanlage in Hemmingen (Kreis Ludwigsburg) haben einen enormen Appetit. Sie bekommen täglich 25 Tonnen Mais, sechs Tonnen Pferdemist und Gülle von 200 Rindern gefüttert. Durch die Vergärung entsteht Biogas, das in einem Blockheizkraftwerk zur Produktion von Strom und Wärme eingesetzt wird.

Hemmingen: Zehn Millionen Liter Heizöl werden gespart

Rund 2.000 private Haushalte sowie mehrere Industriebetriebe und alle kommunalen Gebäude in Hemmingen werden mit der Wärme aus dem Blockheizkraftwerk - und im Winter mit der angeschlossenen Holzhackschnitzel- und Holzpelletanlage - versorgt, so Anlagenbetreiber Ulrich Ramsaier. Das spare mehr als zwei Millionen Liter Heizöl im Jahr. Davon profitiert auch das Klima, weil jährlich rund 10.000 Tonnen CO2 weniger freigesetzt werden.

Biogas-Kraftwerk im Kreis Ludwigsburg wird in Leipzig gesteuert

Die Erzeugung von Strom aus Sonne und Wind unterliegt starken Schwankungen. Denn Fotovoltaik-Anlagen produzieren nur Strom, wenn die Sonne scheint und Windräder drehen sich nur dann, wenn der Wind weht. Mit Biogas betriebene Blockheizkraftwerke können hingegen immer dann hochgefahren werden, wenn Strom im Netz fehlt. Deswegen wird die Anlage in Hemmingen von der Strombörse in Leipzig gesteuert.

"Biogasanlagen müssen flexibel an- und ausgeschaltet werden. Denn bei 30 Grad und Sonnenschein braucht in Süddeutschland kein Mensch Strom aus Biogasanlagen. Da schickt uns die Sonne genug Strom."

So wichtig Biogasanlagen zum Ausgleich von Stromschwankungen sind, insgesamt stellen sie nur eine Nische dar, so der Geschäftsführer der Naturenergie Glemstal in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg). Das liegt auch den zur Verfügung stehenden Agrarflächen in der Region Stuttgart. Denn anders als in Norddeutschland, wo durch intensive Tierzucht auch viel Dung anfällt, ist in der Region Stuttgart der Anfall von Biomasse begrenzt.

"Wenn wir alle guten Böden in der Region Stuttgart für Biomasse nutzen würden, dann leistet das einen Deckungsbeitrag von vier Prozent. Das heißt, es wäre vorbei mit Filderkraut und Lemberger."

Bruttostromerzeugung in Baden-Württemberg 2019 nach Energieträgern
Der Strommix in Baden-Württemberg im Überblick. (Statistisches Landesamt, Stand 2019) Der Anteil der Biomasse beträgt demnach 8,4 Prozent.

Eine Karte mit allen Biomassefeuerungsanlagen findet sich im Energieatlas Baden-Württemberg. Die Grafik oben zeigt den Anteil der Biomasse an der landesweiten Stromerzeugung. Während es bei der Fotovoltaik und auch bei der Windenergie noch große Potentiale gibt, sieht Biogas-Produzent Ulrich Ramsaier bei der Biomasse keine enormen Steigerungsmöglichkeiten. Er spricht sich auch dafür aus, dass für neue Biogasanlagen in erster Linie Bioabfälle und Dung eingesetzt werden sollten, nicht aber extra angelegte Monokulturen von Energiepflanzen.

Gut für den Klimaschutz: organischer Dünger aus Biogasanlagen

Ein weiterer Vorteil der Biogasproduktion: Neben Strom und Wärme entsteht bei der Vergärung organischer Dünger, der im Vergleich zu mineralischem Dünger nicht klimaschädlich ist und der insbesondere in Süddeutschland bei wenig Tierhaltung stark nachgefragt ist.

Der Journalist und Solarpionier Franz Alt nennt die Bioenergie die "Königsklasse der Erneuerbaren". Denn damit könne man Fahrzeuge betreiben, Strom und Wärme produzieren und zugleich speichern.

"Biomasse wird den kleinsten Beitrag, aber möglicherweise den wichtigsten Beitrag zur Energiewende leisten müssen."

Zusammengefasst heißt das: Gerade in der dicht besiedelten Region Stuttgart ist die Biomasse zwar von ihrem Potential begrenzt, aber andererseits sind die Wege kurz, was wiederum ideal ist für die vollständige Nutzung der Wärmeenergie.

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