Eine Woche nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien bergen Rettungskräfte kaum noch Überlebende. Ein Bestatter aus Geislingen an der Steige hilft vor Ort, die Würde der Toten zu wahren.
Markus Maichles Hilfe beginnt, wenn Retter den Tod feststellen. Am Sonntag fanden Helferinnen und Helfer sieben Kinder unter den Trümmern einer Wohnung in Kahramanmaras im Süden der Türkei. Sie brachten sie in die Sporthalle, die für die Toten eingerichtet wurde. Maichle und sein Team wuschen die Körper. Später kam der Onkel, um sie zu identifizieren. Er weinte und schrie, erzählt Maichle im Gespräch mit dem SWR. "Wir sind mit Tod und Trauer vertraut. Doch wer das einfach so wegstecken würde, wäre falsch auf dieser Welt."
Die Bestatter wahren die Würde der Toten
Markus Maichle (51) arbeitet als Bestatter. In Geislingen an der Steige (Kreis Göppingen) hat er vor zehn Jahren den Betrieb seines Großvaters übernommen. Dort engagiert er sich auch bei der Feuerwehr. Er helfe gerne, sagt er. Nach Katastrophen wie in der Türkei und in Syrien fliegt er gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen des Vereins DeathCare Embalmingteam in die Welt. Die Bestatter desinfizieren Tote, um Seuchen vorzubeugen. Sie rekonstruieren verwundete Körper, damit sie durch Polizei und Angehörige identifiziert werden können. Und sie ermöglichen die Beisetzung. So wahrt das Team die Würde der Toten inmitten von Trümmern.
Verein half auch bei Tsunami in Thailand
1999 reiste Maichle schon einmal nach einem Erdbeben in die Türkei. Das DeathCare Embalmingteam half auch 2004 und 2005 in Thailand, als der Tsunami wütete, oder 2015 in Frankreich, nachdem die Germanwings-Maschine abgestürzt war. Die Bestatter führen in den Krisengebieten oft ein Schattendasein, da sie anrücken, wenn die Hoffnung auf Leben schwindet, sagt Maichle. Wer spreche schon gerne über das, was mit den Toten geschieht.
Vergangenen Freitag trafen die Bestatter vom DeathCare Embalmingteam wieder aufeinander. 15 Helfer stiegen in die Maschine nach Istanbul. Nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien finden Helferinnen und Helfer immer weniger Überlebende und die Zahl der Toten wird immer höher.
Stadt in der Türkei in Trümmern
In ihrem Einsatzort, der Stadt Kahramanmaras, ist nur noch Schutt übrig geblieben. "Die Infrastruktur ist komplett zusammengebrochen", erzählt Maichle. Das Team hat eine ehemalige Bibliothek bezogen. Sie liegt etwa 500 Meter von den Trümmern entfernt, unter denen die Einsatzkräfte nach Menschen suchen.
Nachts kühlt es auf bis zu minus sechs Grad herunter. Am Tag werden es nicht mehr als neun Grad, sagt Maichle. Die Temperaturen lassen das Team frieren, doch sie bremsen die Verwesung. Das verschafft den Rettern mehr Zeit.
Maichle und sein Team nehmen den Einsatzkräften die Todesopfer ab und übernehmen den Transport. "Das entlastet die Helfer auch psychisch", sagt Maichle. Sie retten Gegenstände der Opfer, zum Beispiel Schmuck. Der kann bei der Identifizierung helfen. Manchmal entnimmt das Team DNA-Proben. So können Behörden später noch auf die Identität der Menschen schließen. Bestattet werden die Opfer auf den Friedhöfen, die in Kahramanmaras angelegt wurden.
Team versorgt bis zu 300 Tote am Tag
An manchen Tagen muss DeathCare Embalmingteam bis zu 300 Todesopfer versorgen. Die Helfer arbeiten Tag und Nacht. "Wir schlafen nicht mehr als zwei, drei Stunden. Duschen können wir nicht", sagt Maichle. Doch die Unterstützung durch die Menschen ist groß. "Wir bekommen Tee, Wasser und Essen", sagt Maichle.
Der Verein DeathCare Embalmingteam bereitet gerade eine zweite Gruppe vor, um Maichle und seine Kollegen abzulösen. Gegen Ende der Woche könnte es eintreffen und Maichle nach Geislingen zurückkehren. "Ich freue mich darauf, meine Familie wieder in die Arme zu schließen", sagt Maichle.
SWR Extra: Erdbeben in der Türkei und Syrien - Wie der Südwesten hilft
Das SWR Fernsehen hat am Mittwochabend in einer Sondersendung zum Erdbeben unter anderem über Menschen aus Baden-Württemberg berichtet, die im Katastrophengebiet helfen.