Viele Gebäude aus den 70ern

Kaum Dämmung, veraltete Technik: Dramatischer Sanierungsstau an BW-Hochschulen

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Viele Unis in Baden-Württemberg müssen dringend saniert werden. Doch es fehlt an Geld. Das ist schlecht fürs Klima und den Ruf als Wissenschaftsstandort.

Undichte Fenster, marode Labore, mangelhafter Arbeitsschutz - an den Hochschulen in Baden-Württemberg nagt der Zahn der Zeit. Doch Modernisierung und energetische Sanierung werden mangels Geld verschoben. Gleichzeitig müssen die Universitäten erhöhte Energiepreise schultern. Studierende und Rektoren sind sich einig: modernere Gebäude für Lehre und Forschung müssen her sowie Unterstützung auf dem Weg zur Klimaneutralität der Landesliegenschaften im Jahr 2030.

"Das ist nicht nur wichtig, um qualifizierten Nachwuchs zu schaffen, sondern auch, damit das Land in der nationalen und internationalen Konkurrenz um die klügsten Köpfe nicht ins Hintertreffen gerät", sagt Stephan Dabbert, Rektor der Uni Hohenheim. Hier gibt es einem Sanierungsstau von 370 Millionen Euro. Zwei Labore mussten geschlossen werden, weil die Forschende wegen kaputter Abzüge nicht mehr gefahrlos arbeiten konnten.

Uni-Rektor: "Schadet dem Wissenschaftsstandort"

Dabbert ist überzeugt: "Bekommen wir den Sanierungsstau nicht in den Griff, schadet das dem Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg." Das sieht auch Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) so. "Das Thema Bauen und Sanieren stellt eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre dar." Die Bauten aus den 70er und 80er Jahren mit geringer Dämmung ohne effiziente Haustechnik müssten nun alle gleichzeitig erneuert werden.

Jährlich rund eine Milliarde Euro für Bauprojekte in BW

Das Land habe in den vergangenen Jahren die Bauausgaben für alle seine Gebäude von rund 620 Million im Jahr 2013 auf rund 1 Milliarde Euro jeweils in den Jahren 2020, 2021 und 2022 erhöht. Im aktuellen Haushalt 2023/24 stehen pro Jahr rund 1,2 Milliarden Euro bereit. Im Schnitt komme davon die Hälfte den Hochschulen zugute. Doch für manche Universität dürfte das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Allein die Uni Heidelberg beziffert ihren Rückstand auf 800 Millionen Euro, in Tübingen sind es sogar 1,1 Milliarden Euro.

Der Heidelberger Rektor Bernhard Eitel beklagt großen Platzmangel. Es müssten nicht nur neue Flächen erschlossen, sondern auch derzeit nicht nutzbarer Bestand rasch reaktiviert werden.

picture alliancedpa | Christoph Schmidt
An der Universität Hohenheim mussten Labore geschlossen werden, weil die Abzüge nicht mehr funktionieren.

Ehemaliges Gefängnis in Heidelberg sollte genutzt werden

Als "Katastrophe" empfindet der Heidelberger Studierendenvertreter Peter Abelmann die Zustände an Deutschlands ältester Universität. "Zwar wird vom Ministerium immer wieder versprochen, dass Gebäude renoviert werden, aber es passiert gar nichts oder nur mit riesigem Zeitverzug." Als prominentes Beispiel nennt Abelmann die lange geplante, aber nicht umgesetzte universitäre Nutzung des Ex-Gefängnisses Fauler Pelz, das nun auch das Sozialministerium für den Maßregelvollzug beansprucht. Zudem seien Fluchtwege nicht mehr auf dem neuesten Stand und Platzmangel führe zu Konflikten um Seminarräume.

Zu wenig Platz ist auch für die Musikhochschule Mannheim ein großes Problem. Rektor Rudolf Meister: "Bestehende Gebäude müssen dringend renoviert, Neubauten vorangetrieben werden." Bei einer Liegenschaft aus dem Jahr 2000 hätten mehrere Wasserrohrbrüche die IT beschädigt. Ein 1996 vom Ministerium genehmigter Konzert- und Theatersaal wird auf die lange Bank geschoben. Nach immer wieder verworfenen Standortprüfungen für das 50-Millionen-Euro-Projekt hat Meister resigniert. "Vor 2040 werden wir den Saal nicht bekommen." Darunter litten die Studierenden, die zwar als Individualmusiker und -musikerinnen gut ausgebildet seien, aber nicht für Orchester und Chor.

Gestiegene Energiekosten belasten Unis

Während bei den Musikhochschulen die gestiegenen Energiekosten von Land übernommen werden, müssen die Universitäten diese nach Angaben der Landesrektorenkonferenz (LRK) zum großen Teil selbst zahlen. Für 2023 erstatte das Land 40 Prozent der Mehrkosten, sagt LRK-Chef Thomas Puhl, Leiter der Uni Mannheim. "Für 2022 gibt es keine Zusage, und wie es 2024 weitergeht, ist auch unklar."

Die Uni Tübingen rechnet für das Jahr 2023 mit Mehrkosten für Strom und Heizung von 10 Millionen Euro. Energiesparmaßnahmen seien ergriffen worden, wie etwa die Umstellung auf Online-Lehre und Gebäudeschließungen in der Weihnachtszeit. Doch das hätte die erhöhten Preise nicht ausgleichen können, so ein Sprecher. Nach Auskunft des Landes sind 2023/24 je eine Milliarde Euro für Inflations- und Energiepreisrisiken für Landesgebäude vorgesehen.

KIT befürchtet Nutzungsausfälle

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird befürchtet, dass immer mehr Gebäude nicht genutzt werden können. Mehr als ein Drittel der Universität sei vor 1979 errichtet worden. Die Nutzungsausfälle seien vor allem bei spezifischen Flächen wie Sporthallen und Laboren zu vermeiden, für die sich kein Ersatz mieten lasse. Um Gebäude funktionsfähig zu halten und stets schärfere Standards beim Schutz vor Brand und Schadstoffen zu erfüllen, muss die Finanzierung laut KIT um das Dreifache steigen.

Kritik an Planungsverfahren im Hochschulbau

"Oft planen bei uns Wissenschaftler neue Gebäude und sind in Rente, bevor sie fertig sind", moniert der Heidelberger Rektor Eitel. Ein Limit für die Planungs- und Bauzeit von fünf Jahren könne Engpässe sowie Kostenexplosionen vermeiden. LRK-Chef Puhl schlägt vor, Hochschulen die Bauherreneigenschaft für einzelne Bauprojekte und damit ein eigenes Budget zu geben.

Das Land wolle aber die Kompetenz der aus seiner Sicht schwerfälligen staatlichen Bauämter nicht beschneiden. Denkbar sei auch, privates Kapital hinzuzuziehen. Der Hohenheimer Rektor Dabbert führt die Misere darauf zurück, dass es keine Konsequenzen habe, wenn Mängel an den Gebäuden nicht oder verspätet ausgebessert werden. "

"Wenn wir Gebäude nicht nutzen können und deshalb Gebäude anmieten müssen, ersetzt uns niemand diese Kosten."

Das Land verweigere Abhilfe und stelle somit sein eigenes Ziel der Klimaneutralität der Landesgebäude im Jahr 2030 in Frage. Dabbert bezweifelt, dass die im Jahr 2000 begonnene Sanierung des "Katastrophengebäudes" für die Biowissenschaften bis dahin fertig wird. Ein Abschluss sei nicht vor 2040 zu erwarten - aus seiner Sicht ein Unding: "Für den Bau der Cheops-Pyramide brauchte man nur 20 Jahre."

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