In der baden-württembergischen Landespolitik haben die Zahlen aus Thüringen und Sachsen unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die AfD spricht von einem sensationellen Ergebnis.
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben bei Grünen, CDU und SPD in Baden-Württemberg Besorgnis ausgelöst. Die AfD dankte den Wählern in den beiden ostdeutschen Bundesländern. Bei der Landtagswahl in Sachsen hat die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer knapp vor der AfD gewonnen, in Thüringen wurde die AfD klar stärkste Kraft.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Schwarz, sagte dem SWR, die Ergebnisse in Thüringen seien "eine Niederlage für alle demokratischen Parteien". Dass so viele Leute AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gewählt hätten, sei eine Zäsur. Das müsse alle demokratischen Parteien zum Denken und auch zum gemeinsamen Handeln auffordern.
CDU: Alarmsignal für Parteien
Manuel Hagel, Fraktions- und Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg, sagte dem SWR, seine Partei sei in Sachsen und Thüringen der Stabilitätsanker in der politischen Mitte. Die extremistischen Parteien hätten enorm zugelegt, die Parteien der Ampel seien entweder unter fünf Prozent oder an der Fünf-Prozent-Hürde. Das sei ein Alarmsignal für die Parteienlandschaft.
"Jetzt muss es ja der Letzte in der Berliner Ampel begriffen haben, dass es darum geht, jetzt endlich zu regieren anstatt zu blockieren", so Hagel wörtlich. Es gehe darum, die wirklichen Probleme zu lösen, die die Menschen umtreiben.
CDU-Hagel besteht auf Unvereinbarkeit mit Linke
Trotz der absehbar schwierigen Koalitionsgespräche nach den Landtagswahlen pocht Hagel auf den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei mit der Linken. "Für uns gilt nach der Wahl das, was wir vor der Wahl gesagt haben: keine Zusammenarbeit mit der AfD oder den Linken", sagte Hagel der Deutschen Presse-Agentur. Er will sich aber nach eigener Aussage zurückhalten und den Verantwortlichen in Sachsen und Thüringen keine Ratschläge erteilen.
In Thüringen dürfte die CDU laut Wahlergebnis auch auf Stimmen aus der Linken angewiesen sein, um eine Regierung zu bilden. Weniger deutlich formuliert Hagel dies beim Bündnis Sahra Wagenknecht, auf das die CDU für eine Regierungsbildung ohne die AfD in Sachsen und Thüringen angewiesen ist. "Das BSW ist beileibe kein Sehnsuchtspartner für Christdemokraten", erklärte er. In Sachsen und Thüringen gehe es aber nicht um Wünsche, sondern um eine stabile Regierung für die Länder. Das Bündnis sei an vielen Stellen noch eine Unbekannte. Deshalb müsse in Sachsen und Thüringen geklärt und bewertet werden, ob eine verlässliche Vertrauensbasis entstehen könne.
AfD: Menschen im Osten wollen politische Wende
Anton Baron, AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, sprach von einem "sensationellen Ergebnis" der Landtagswahlen. Die Wähler hätten der AfD einen "riesen Vertrauensvorschuss" gegeben. Die Zustimmung zu seiner Partei sei damit erklärbar, dass die Ampelregierung eine wirtschafts- und bürgerfeindliche Politik betreibe und die "Massenmigration" nicht bekämpfen könne. Die Menschen im Osten wollten eine politische Wende, und die bekämen sie nur mit der AfD.
SWR-Hauptstadtkorrespondent Sebastian Deliga verfolgt in Berlin die beiden Landtagswahlen. Er berichtet unter anderem, wie die Ampelparteien am Sonntagabend die Ergebnisse aufnahmen:
SPD: Wahlergebnisse beängstigend
Andreas Stoch, der Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD, sagte dem SWR, die Wahlergebnisse seien für ihn "beängstigend", vor allem die Tatsache, dass die AfD in einem Bundesland stärkste politische Kraft wurde. Es gehe jetzt darum, in beiden Ländern stabile Mehrheiten zu haben, es gehe weniger um die einzelnen Parteien. "Aber natürlich bin ich froh, dass die SPD in beiden Landtagen weiterhin sein wird."
Er setze darauf, dass in Sachsen eine "Regierung der demokratischen Fraktionen" zustande kommt, so Stoch. Große Probleme sehe er in Thüringen. "Wir werden sehen in den nächsten Tagen, wozu die mögliche Regierungsbildung in Thüringen führen wird", sagte Stoch.
FDP: Können Wählerschaft nicht von Ampel begeistern
Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke zeigt das Wahlergebnis, dass es der FDP nicht gelinge, ihre Wählerschaft von der Politik einer Ampel zu begeistern. Sie habe dennoch die Aufgabe, in dieser Koalition die Probleme des Landes weiterhin anzugehen - etwa durch eine viel konsequentere Migrationspolitik, sagte Rülke.
"Ich kann meiner Partei aber nicht empfehlen, ein solches Ampelbündnis nochmals einzugehen." Für Baden-Württemberg heiße das für ihn: "Künftig eine Landesregierung ohne die Grünen und deren illusionäre Migrationspolitik", so Rülke.
Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde BW fordert mehr Beteiligung
Der Landesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, Gökay Sofuoglu, fordert von türkischen Einwanderern und ihren Nachkommen nach dem Wahlerfolg der AfD mehr Einsatz für die Demokratie in Deutschland. Dem SWR sagte Sofuoglu, sie sollten ihren Einfluss geltend machen. "Wir sollten uns mehr mit den demokratischen Kräften in Deutschland zusammentun, um die Demokratie in Deutschland zu verteidigen." Dazu gehöre auch, dass sehr viele, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, "auf jeden Fall" zur Wahl gehen und ihre Stimme "gegen den Rechtsruck in Deutschland abgeben".
Wirtschaftsvertreter: Wahlergebnis könnte Ruf schaden
Vertreter der Wirtschaft in Baden-Württemberg haben sich besorgt über den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gezeigt. Der Ausgang der Landtagswahlen muss uns beschäftigen, darf uns aber nicht lähmen, heißt es beim Lkw-Hersteller Daimler Truck. Es gebe im Ausland viele Reaktionen auf die Ergebnisse, was für den Ruf des Standorts Deutschland zum Problem werden könnte, so ein Sprecher. Daimler Truck habe sich immer gegen Rechtsextremismus positioniert, worunter auch die AfD zu verstehen sei.
DGB: "Vertrauenskrise der politischen Parteien"
Auch beim Verband der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) ist man besorgt. Man beobachte eine wachsende Polarisierung unserer Gesellschaft, heißt es vom Chef des Verbands, Oliver Barta, in einem Statement. Das Phänomen sei mitnichten auf den Osten Deutschlands beschränkt. Beim DGB konstatiert man eine "Vertrauenskrise der politischen Parteien". Die Alltagssorgen der Menschen rund um bezahlbares Wohnen und sichere Arbeit müssten daher jetzt gelöst werden, heißt es in einer Stellungnahme des Bezirksvorsitzenden Kai Burmeister.
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