Seit dem Völkermord an den Jesiden im Nordirak vor rund zehn Jahren unterstützt Baden-Württemberg vor Ort die Ausbildung von Therapeuten. 2026 läuft die Finanzierung aus.
Vor inzwischen mehr als zehn Jahren begann die Terrororganisation Islamischer Staat einen Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden im Nordirak. Mehr als 5.000 Angehörige der religiösen Minderheit wurden ermordet, 7.000 verschleppt und versklavt.
2015 nahm Baden-Württemberg 1.100 Jesidinnen auf, die Opfer der IS-Gewalt geworden waren. Das Land engagiert sich auch vor Ort: Seit 2017 finanziert es einige Kliniken und das Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie (IPP) im kurdischen Dohuk mit. Einer, der selbst nur mit dem Glück dem Genozid entkam, ist Dawod Salim. Heute will er am IPP lernen, wie er traumatisierten Menschen helfen kann.
Psychotherapie im Flüchtlingscamp im Irak
Salim absolviert gerade ein Praktikum an einer Klinik im Flüchtlingscamp. Er studiert im von Baden-Württemberg mitfinanzierten Masterprogramm. Obwohl sich immer wieder Campbewohner in der Klinik melden, hätten viele auch noch Vorbehalte gegenüber einer Therapie, erzählt er.
Viele Betroffene würden denken, wer zur Therapie geht, der sei verrückt. Viele würden sich fragen, "wie kann mir nur das Reden dabei helfen, meine Probleme zu lösen, so ganz ohne Medikamente?"
In der Klinik arbeiten, neben den Traumatherapeuten, auch Ärztinnen und Ärzte. Sie verschreiben den Patientinnen und Patienten gegebenenfalls auch Medikamente. Die Therapeuten selbst haben aber kein Recht, Medikamente zu verschreiben.
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Menschen helfen, ihr Leben weiterzuleben
Dawod Salim weiß, dass gerade im Camp viele Hilfe benötigen. Die meisten hier sind Jesiden. Sie sind Teil der Religionsgemeinschaft, die 2014 Opfer des Genozids durch die Terrororganisation Islamischer Staat wurde. Auch Dawod selbst ist Jeside und kommt aus der betroffenen Region. Er entkam dem Massaker, weil er beim Einmarsch des IS nicht in der Region war. Aber er kennt die Geschichten und Traumata der Menschen.
Er habe sich gefragt, wie er den Menschen helfen könne. "Ich habe keine Zeitmaschine, um zu ändern, was damals passiert ist", sagt er. "Aber als Psychotherapeut kann ich Menschen dabei helfen, ihr Leben weiterzuleben. Viele stecken im Kopf nämlich in der Vergangenheit fest und können nicht mehr weitermachen."
Überlebende des Genozids verarbeiten aktuell ihre Traumata in der Therapie am IPP. Eine von ihnen erklärt, wie froh sie ist, einen Ort zu haben um ihren Kummer zu teilen und Erlebtes zu verarbeiten: "Hier ist ein sicherer Ort. Ich kann hier meinen Kummer, mein Leid und meine ganz persönliche Geschichte verarbeiten und danach geht es mir besser."
Finanzierung des Programms läuft aus
2026 läuft die Finanzierung des Programms aus. Danach soll der Studiengang von der Universität in Dohuk selbstständig weitergeführt werden. Für die Vize-Dekanin Doktor Bohar Isa bedeutet das eine große Herausforderung - denn bislang wurden die Studierenden ausschließlich durch deutsche und internationale Lehrkräfte ausgebildet. Nach Ende der Finanzierung gebe es dann vor Ort keine qualifizierten Ausbilder mehr, sagt sie.
Aus ihrer Sicht gibt es nur einen Weg, wie es dann weitergehen kann: "Wir brauchen in diesem Masterprogramm Doktoranden. Dadurch könnte dann nämlich der Studiengang selbstständig weiterlaufen, auch nachdem die Finanzierung aus Deutschland aufhört."
Die eigenen Doktoranden könnten dann die Betreuung und Ausbildung der Masterstudenten übernehmen, so die Hoffnung. Für Dawod Salim steht fest, dass er nach Abschluss seines Studiums in einer Klinik als Traumatherapeut arbeiten möchte, auch wenn viele noch Vorurteile gegenüber einer Therapie haben. Er weiß, dass seine Arbeit in dieser Region einen Unterschied macht und wichtig ist - auch für die Zukunft der Jesidinnen und Jesiden.
Für das Doku-Format "arte Re": hat Svitlana Magazova die Geschichte der Jesidin und Genozid-Überlebenden Hakeema Taha erzählt. Hier geht es zur Doku:
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