Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik im Bund wollen am Montag viele Haus- und Fachärzte auch in Baden-Württemberg ihre Praxen nicht öffnen. Es soll aber einen Notdienst geben.
Tausende Haus- und Fachärzte in ganz Deutschland wollen am Montag ihre Praxen nicht öffnen. Damit protestieren sie gegen die Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der die Belange der niedergelassenen Mediziner missachte und das Gesundheitssystem in "Richtung Staatsmedizin umbauen" wolle, wie der Virchowbund mitteilte.
Als Berufsverband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hatte der Virchowbund zu dem Protest aufgerufen. Seinen Angaben zufolge sind viele Praxen durch Inflation, hohe Energiepreise oder auch Fachkräftemangel in Not. Neben den Praxisschließungen sollen Informationsveranstaltungen und regionale Demonstrationen stattfinden.
Ärzte fordern Wiedereinführung der Neupatientenregelung
Ein zentrales Anliegen bei den Protesten ist die Wiedereinführung der Neupatientenregelung, die zum 1. Januar dieses Jahres abgeschafft wurde. Diese sehe eine bessere Vergütung für die Behandlung neuer Patientinnen und Patienten vor. Außerdem fordern die Ärztinnen und Ärzte ein Ende der Budgetierung, eine Krankenhausreform und mindestens 5.000 zusätzliche Medizinstudienplätze pro Jahr.
Norbert Smetak, Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg, erklärte im SWR-Interview, derzeit seien die Bedingungen für die Ärzte nicht so, wie sie sein sollten - sowohl was die Arbeitsbedingungen als auch die Vergütung betreffe. Das führe dazu, dass sich nur wenige Ärzte niederließen. Die Neupatientenregelung könne dies ändern.
Smetak kritisierte außerdem, Bundesgesundheitsminister Lauterbach habe "einen Blick mit der Krankenhaus-Brille" und höre nicht auf die Basis. "Er hat eine Expertenkommission, die nur aus Universitätsprofessoren besteht, aber nicht die Basis mit einbindet", so der Kardiologe aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen).
Heilbronner HNO-Arzt: "Ambulantes System steht auf der Kippe"
Auch im Raum Heilbronn beteiligen sich zahlreiche Arztpraxen an dem Streik. So lässt beispielsweise der Heilbronner HNO-Arzt Ulrich Kohler seine Praxis zu. Er kritisiert zu viel Bürokratie, aber auch die Bezahlung. "Das ambulante System, so wie es die Patienten kennen und schätzen, steht auf der Kippe", sagte Kohler dem SWR-Studio Heilbronn.
In den nächsten Jahren stehe eine Strukturänderung an. Ob es überhaupt einen Ersatz für das bisherige System gebe, sei fraglich, wenn es nicht attraktiver für die Angestellten würde, so Kohler. Die Änderungen würden rund 40 Prozent der Hausärzte und 30 Prozent der Fachärzte über 60 treffen. "Und die gehen irgendwann in Rente, mit Nachfolger oder ohne", erklärte Kohler.
Fachkräftemangel Hausarztpraxen schlagen Alarm: Medizinische Fachangestellte fehlen
In fast allen Branchen fehlt ausgebildetes Personal – auch ein Problem in südbadischen Arztpraxen. Ein Arzt und eine medizinische Fachangestellte über Stress und Zukunftssorgen.
Flächendeckender Notdienst soll einspringen
Dem Aufruf des Virchowbunds haben sich knapp 20 weitere Ärzteverbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen angeschlossen. Bundesweit rechnet der Virchowbund damit, dass eine fünfstellige Zahl von Arztpraxen geschlossen bleibt. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung soll es einen flächendeckenden Not- und Bereitschaftsdienst geben.
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