Proteste der Letzten Generation

Polizeigewerkschaft in BW fordert Präventivgewahrsam für Klimaaktivisten

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Straßenblockaden und Attacken auf Kunstwerke: Um solche Protestaktionen zu vermeiden, will die Deutsche Polizeigewerkschaft Klimaaktivisten auch ohne Prozess länger festhalten können.

Wer sich in Baden-Württemberg auf die Straße klebt, sollte aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) unter Umständen auch ohne Prozess für eine gewisse Zeit eingesperrt werden können. Ein Polizeigewahrsam wie in Bayern sei verhältnismäßig, wenn man damit rechnen müsse, dass der Täter die Tat bei nächster Gelegenheit wieder begehe, sagte Gewerkschaftschef Ralf Kusterer der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Ich glaube, das ist ein gutes Instrument, um Straftaten abzuwehren." Wenn die Politik das in Baden-Württemberg einführen würde, hätte sie die DPolG an ihrer Seite, sagte Kusterer. Ohne die Möglichkeit des präventiven Gewahrsams seien der Polizei im Umgang mit den Aktivisten ein Stück weit die Hände gebunden, dann müsse man erst immer warten, bis etwas passiere.

Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Bewegung "Letzte Generation" haben am Montag in Ulm eine Straße in der Nähe des Theaters blockiert. Zwei von ihnen haben sich laut Polizei auf der Fahrbahn der Neutorstraße festgeklebt:

Ulm

Aktion der Bewegung "Letzte Generation" Klimaaktivisten kleben sich auf Fahrbahn in Ulm fest

Klimaaktivisten der Bewegung "Letzte Generation" haben am Montagvormittag eine Straße in der Nähe des Ulmer Theaters blockiert. Zwei von ihnen klebten sich auf der Fahrbahn fest.

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Gewerkschaft: Klima-Aktionen sind Straftaten, keine friedlichen Proteste

Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz können Bürgerinnen und Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern. Dieser Zeitraum kann um maximal einen weiteren Monat verlängert werden. In Bayern waren zuletzt 19 Klimaaktivisten eingesperrt. Sie wurden am Wochenende aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Juristen haben Zweifel, ob dieser lange Präventivgewahrsam verhältnismäßig ist. Es gibt Klagen gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und auch in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht. Der Kritikpunkt: Freiheitsentzug, der von der Polizei verhängt wird und nicht von einem Richter in einem Strafprozess muss auf ein Minimum beschränkt bleiben.

Die "Letzte Generation" sorgt mit ihren Blockadeaktionen oder durch Attacken auf Kunstwerke derzeit oft für Schlagzeilen. Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen damit auf die Zerstörung der Umwelt und den Klimawandel aufmerksam machen. Kusterer verurteilte die Proteste. "Das sind überwiegend Straftaten, die dort geschehen", sagte er. "Wer andere Menschen in der Bewegungsfreiheit einschränkt, hat keine Sympathie von mir." In seiner Wirkung sei das kein friedlicher Protest. Kusterer rechnet aber auch mit Blick auf den Winter mit einem eher vorübergehenden Phänomen: "Auch wenn man dicke Unterhosen anzieht - irgendwann wird es ungemütlich auf der Straße."

Klimaaktivisten in Präventivgewahrsam zu nehmen, könne zu einer Radikalisierung der Bewegung führen, meint Kriminologin Katrin Höffler von der Uni Leipzig im SWR-Gespräch:

GdP: Präventivhaft letztes Mittel

Auch die andere Polizeigewerkschaft im Land, die Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht die Proteste mehr als kritisch. "Wir verurteilen diese Aktionen aufs Schärfste", sagte GdP-Landeschef Gundram Lottmann. Er habe zwar Verständnis für die Intention. Aber es könne nicht sein, dass Straftaten verübt würden und die Infrastruktur blockiert. "Unsere Infrastruktur stellt schlichtweg das Herzstück unser Wirtschaft und Industrie dar." Auch habe er Verständnis, wenn betroffene Bürger aggressiv auf die Aktivisten reagierten. "Wenn man radikalen Protest an den Tag legt, muss man sich nicht wundern, wenn die Bürger entsprechend darauf reagieren", sagte Lottmann. Die Polizei müsse beide Seiten schützen und stehe zwischen den Stühlen.

Den Polizeigewahrsam hält Lottmann nur für das letzte Mittel im Vorgehen gegen die Aktivisten. Es gebe durchaus radikale Personen, die für jegliche Argumente nicht mehr zugänglich seien, sagte er. Aber vorher müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Er sieht noch andere Probleme im Zusammenhang mit einem Polizeigewahrsam wie in Bayern: "Wir hätten gar nicht die Gewahrsamseinrichtungen und schon gar nicht das Personal", sagte er. "Wir könnten das nicht umsetzen."

Aktivistin: Präventivgewahrsam wird nicht von weiteren Protesten abhalten

Aktivistin Solvig Schinköthe, die selbst bereits in Gewahrsam saß wegen Blockadeaktionen, zeigte sich empört über das Ansinnen der Polizeigewerkschaft: "Die Regierung kann sich jederzeit dafür entscheiden, sich für unser aller Leben einzusetzen, statt uns, die Boten der schlechten Nachricht, einzusperren", sagte sie. "Längere Präventivhaft wird uns nicht davon abhalten, gegen das tödliche Weiter-so der Bundesregierung zu protestieren." Das verschärfte Polizeiaufgabengesetz in Bayern sollte vorgeblich die Gesellschaft vor islamistischem Terror schützen, kritisiert Schinköthe. "Jetzt wird dieses Gesetz missbraucht, um friedliche Klimaaktivisten einzusperren. Auch in Baden-Württemberg werden wir weiter friedlich und entschlossen auf die Straße gehen, um zu bewahren, was uns allen lieb und teuer ist."

Die Grünen im Land lehnen eine Präventivhaft für Klima-Aktivisten offenbar grundsätzlich ab. "Auf gewaltfreie Proteste mit Unterbindungshaft zu antworten ist für die Demokratie brandgefährlich", sagten die Landessprecherinnen der Grünen Jugend, Elly Reich und Aya Krkoutli. Die Landesvorsitzende der Grünen, Lena Schwelling, kritisierte: "Dass sich nun selbst die Polizeigewerkschaften über die Frage der Präventivhaft bei Klimaaktivist*innen nicht einig sind, bestätigt uns darin, dass diese Maßnahme nicht der richtige Weg ist."

AfD: Aktivisten betreiben "Terror light"

Unterstützung erhält DPolG-Chef Kusterer mit seiner Forderung von der AfD. "Sachbeschädigung und Nötigung sind keine tolerierbaren Mittel für Protest", sagte der sicherheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Hans-Jürgen Goßner, am Montag. Den Begriff der Aktivisten nannte Goßner verniedlichend: "Was hier passiert, ist 'Terror light'."

Landesregierung äußert sich nicht

Was die baden-württembergische Landesregierung zu dem Vorschlag sagt, Präventivgewahrsam für die Klima-Aktivisten in Betracht zu ziehen, ist unklar. Eine SWR-Anfrage blieb bis Montagabend unbeantwortet.

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