Überall wird frisches Geld gebraucht, zum Beispiel für Fluthilfen und Hochwasserschutz, wie die aktuellen Überschwemmungen zeigen. Um neue Mittel zu mobilisieren, wollen Kretschmann und Co. nun die üppigen Zahlungen an den Pensionsfonds drosseln.
Die grün-schwarze Landesregierung BW will für neue Investitionen die regelmäßigen Zahlungen an den Pensionsfonds kürzen und auch die Ministerien zu Einsparungen bei älteren Projekten zwingen. Wie der SWR nach einem Spitzengespräch von Grünen und CDU am Mittwochabend in Stuttgart erfuhr, soll auf diese Weise rund eine Milliarde Euro für den Doppelhaushalt 2025/2026 mobilisiert werden. Das hatte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in seinen Eckpunkten für den Haushalt so vorgeschlagen.
Ein Sprecher von Bayaz bestätigte am Abend, dass sich die Koalition auf die Eckpunkte verständigt habe, nannte aber keine Details. "Das Deckungskonzept wurde als Arbeitsgrundlage für die weiteren Haushaltsverhandlungen beschlossen." Als nächstes sollen die Fraktionen beraten und dann das Kabinett das Konzept beschließen.
Opposition und Beamtenbund protestieren gegen "Raubbau an Zukunft"
Heftige Kritik kommt von der Opposition und dem Beamtenbund. "Eine Kürzung der Einzahlungen in den Pensionsfonds ist Raubbau an der Zukunft", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch Kai Rosenberger vom Beamtenbund Tarifunion sprach von "modernem Raubrittergebaren" und ergänzte: "Gelder, mit denen künftig Pensionen der Staatsdiener bezahlt werden sollten, werden stattdessen für neue Investitionen ausgegeben." Auch die SPD sieht eine Abkehr von einer "enkelgerechten Finanzpolitik".
250 Millionen Euro für Sprachförderung für Kinder schon verplant
Was die neuen Investitionen angeht, sind rund 250 Millionen Euro für das Sprachförderpaket in Kitas und Grundschulen schon verplant. Trotzdem stünden somit etwa 750 Millionen Euro im letzten Etat der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für weitere politische Schwerpunkte zur Verfügung. Vor kurzem hatte Bayaz noch erklärt, wegen einer Milliardenlücke im Haushalt sei kaum Spielraum für Investitionen da.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und seine CDU-Kollege Manuel Hagel erklärten am Abend lediglich: "Wir haben uns darauf verständigt, maßvoll zu haushalten und Spielräume für Zukunftsinvestitionen nutzen."
Unternehmer unterstützen Umschichtung im Haushalt
Zustimmung zu den Plänen kam vom Verband Unternehmer Baden-Württemberg. "Mit einer Umschichtung von Finanzmitteln zugunsten von Investitionen würde die Landesregierung die Prioritäten in der Haushaltspolitik stärker auf die Zukunftsfähigkeit des Landes ausrichten. Wir halten das für den richtigen Weg. Allerdings dürfen die Umschichtungen im Haushalt nicht zu Lasten zukünftiger Generationen gehen", erklärte Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Ministerien sollen eine Milliarde Euro bei alten Projekten sparen
Nach SWR-Informationen ist sich die Koalition grundsätzlich einig, dass man die Einzahlungen in den Pensionsfonds drosseln und den Ressorts Sparauflagen machen will.
Bayaz hatte vorgeschlagen, in den Jahren 2025 und 2026 insgesamt eine Milliarde Euro weniger in den Pensionsfonds zu zahlen. Zudem sollen außerdem die Ministerien zusammen Einsparungen von einer Milliarde Euro erbringen. Diese seien nötig, um Löcher im Haushalt zu stopfen.
Kritiker: Drosselung geht auf Kosten künftiger Generationen
Das Land legt seit gut 15 Jahren zusätzlich Geld für die steigende Zahl der Pensionäre zurück. Ende vergangenen Jahres waren demnach rund 11 Milliarden Euro in dem Fonds. Bisher ist geplant, in den Jahren 2025 und 2026 fast 1,7 Milliarden Euro in den Fonds für die derzeit rund 151 000 pensionierte Beamtinnen und Beamte einzuzahlen.
Kritiker einer Kürzung der Zuzahlung wie die FDP, Beamtenbund oder der Steuerzahlerbund monieren, man verlagere die finanziellen Probleme nur auf später und belaste damit künftige Generationen. In der Koalition wird jedoch darauf verwiesen, dass kaum ein Bundesland noch Geld in ihre Fonds einzahlt. Die Haushälter von Grünen und CDU sind sich aber einig, dass kein Geld aus dem Fonds entnommen werden soll.
Wie soll das Milliardenloch gestopft werden?
Bevor jedoch über neue Ausgaben nachgedacht wird, muss erstmal das erwartete Finanzloch im Doppelhaushalt 2025/2026 gestopft werden. Zwar nimmt das Land laut der Mai-Steuerschätzung mit 628 Millionen Euro mehr Steuern ein als geplant. Doch das reiche bei weitem nicht aus, um die geplanten Ausgaben im Etat zu decken, hatte Bayaz jüngst erklärt.
Die Erklärung dafür ist zum einen, dass das Land langfristig mit einer deutlich besseren Konjunktur und höheren Steuereinnahmen gerechnet hat. Doch die Wirtschaft schwächelt und soll laut Prognose der Bundesregierung im nächsten Jahr nur um 0,3 Prozent und 2026 um 1,0 Prozent wachsen. Zudem schlagen auch beim Land die allgemeine Kostensteigerung und die höheren Energiepreise zu Buche. Hinzu kommen Tarifsteigerungen im Öffentlichen Dienst, die das Land im nächsten Etat rund zwei Milliarden Euro kosten. Aber: Grün-Schwarz hat eben auch seine Ausgaben weiter gesteigert, etwa im Bildungsbereich.
Neue Kredite von über einer Milliarde Euro wegen schwacher Konjunktur möglich
Um das Loch teilweise zu schließen, will die Koalition nach SWR-Informationen eine Sonderregel innerhalb der Schuldenbremse nutzen. Diese sieht vor, dass die Landesregierung bei schwacher Konjunktur in einem gewissen Umfang neue Schulden aufnehmen darf, um die Wirtschaft anzukurbeln. Diese soll laut dem Konzept von Bayaz bei über einer Milliarde Euro liegen.
Zudem plant der Finanzminister einen Teil der Inflationsrücklage auf den neuen Haushalt zu übertragen. Hier soll es um etwa 500 Millionen Euro gehen. Durch die Streckung von Krediten und geringere Zinszahlungen sollen weitere 500 Millionen Euro auf der Habenseite verbucht werden.
Wofür soll das Geld ausgegeben werden?
Aktuell denkt die Regierung über Hilfen für Flutopfer nach. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits 100 Millionen Euro an Hilfen für geschädigte Privathaushalte und Betriebe angekündigt. Darüber hinaus wollen vor allem die Grünen den Hochwasser- und Klimaschutz weiter stärken.
Bei der CDU wird darauf verwiesen, dass mit den 250 Millionen Euro für das Sprachförderpaket der größte Batzen an ein grün-geführtes Ministerium gehen soll – auch wenn der für Kitas zuständige Kultus-Staatssekretär von der CDU ist. Deshalb dringt die Union um Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel und Innenminister Thomas Strobl unter anderem auf weitere Investitionen in Sicherheit und Katastrophenschutz.
Gibt es doch noch Geld für die Mobilitätsgarantie?
Umstritten ist weiter, ob Grün-Schwarz in dieser Wahlperiode noch Geld für die sogenannte Mobilitätsgarantie in BW in die Hand nehmen soll. Der von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geplante Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs, der von Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz unterstützt wird, wird von der CDU vor allem wegen des Mangels an Busfahrern skeptisch gesehen. Auch Kretschmann zweifelt daran, ob dies finanzierbar ist.
Die im Koalitionsvertrag geplante Garantie sieht vor, dass alle Orte in Baden-Württemberg von 5 Uhr früh bis Mitternacht mit dem ÖPNV erreichbar sein sollen. Eigentlich will das Land es bis 2026 schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt. Doch die Mobilitätsgarantie ist bisher im Landeshaushalt nicht mit Geld unterfüttert.
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