In Baden-Württemberg kommen immer mehr Geflüchtete an. Doch Wohnungen fehlen und Städte und Gemeinden stoßen an ihre Grenzen. Wie bereiten sich die Kommunen auf den Andrang vor?
Kommunen in Baden-Württemberg stehen angesichts steigender Flüchtlingszahlen immer mehr unter Druck. Mittlerweile kommen laut Angaben des Migrationsministeriums täglich im Schnitt 300 Geflüchtete im Land an - Tendenz steigend. Die meisten davon stammen aus der Ukraine: Durchschnittlich 170 Ukrainerinnen und Ukrainer waren es pro Tag in der ersten Augustwoche, noch Anfang Juni kamen im Schnitt täglich 89.
Städte, Gemeinden und Regierungspräsidien suchen deshalb verzweifelt nach Unterbringungsmöglichkeiten. Doch die sind rar. Viele Kommunen berichten, dass es für die steigende Zahl an Geflüchteten kaum noch Wohnraum gebe. In Friedrichshafen beispielsweise sind derzeit knapp 800 Menschen aus der Ukraine untergekommen, darunter rund 100 Kinder. Etwas weniger als 400 Ukrainerinnen und Ukrainer leben in privaten Wohnungen. Weil die private Unterbringung jedoch langsam an ihre Grenzen stoße, bittet die Stadt die Bürgerinnen und Bürger, zu prüfen, ob noch Wohnungen zur Vermietung bereit stehen.
Im Herbst werden Container für Flüchtlinge aufgestellt
Ähnlich sieht es in Pfullendorf im Kreis Sigmaringen aus. Derzeit würden noch Wohnungen vorbereitet, doch sei der Puffer bald aufgebraucht, teilte die Stadt mit. Im Herbst sollen deshalb Wohncontainer für die Flüchtlingsunterbringung aufgestellt werden. In der Kreissporthalle in Singen (Kreis Konstanz) sind schon am Donnerstag 73 Geflüchtete aus der Ukraine untergekommen. Somit wurde laut Landratsamt seit Kriegsbeginn in der Ukraine die dritte Notunterkunft im Kreis belegt. Insgesamt befänden sich derzeit rund 2.900 Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis Konstanz, teilte das Landratsamt mit.
Landkreis Konstanz sucht nach Alternativen
Mit Hochdruck arbeite der Landkreis im Übrigen daran, neue Standorte zu ertüchtigen, hieß es, und er suche auch nach Ersatz für die Kreissporthallen, damit dort Schul- und Vereinssport wie gewohnt stattfinden kann. Außerdem bittet das Landratsamt Konstanz darum, von Sachspenden abzusehen und sich bei den Helfervereinen über benötigte Spenden zu informieren. Nur so sei eine bedarfsorientierte Hilfe gewährleistet, die auch bei den Geflüchteten ankommt.
Lage spitzt sich zu Unterkünfte für Flüchtlinge werden in Kreisen Zollernalb und Sigmaringen knapp
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Baden-Württemberg. In der Region Neckar-Alb kommen die Kreise mit ihren Unterbringungsmöglichkeiten an ihre Grenzen.
Das Landratsamt im Zollernalbkreis teilte dem SWR mit, dass zusätzlich zum Ankunftszentrum in Meßstetten, wo 1.200 Ukrainerinnen und Ukrainer leben, ein weiteres Gebäude zur Unterbringung vorbereitet werde. Auch im Kreis Freudenstadt sind die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft. Man sei weiterhin auf der Suche nach freiem privaten Wohnraum für Geflüchtete, hieß es. Die Landratsämter Tuttlingen und Tübingen berichteten, dass noch ausreichend Kapazitäten vorhanden seien, sich das aber auch schnell ändern könne.
BW-Justizministerin contra Bundesregierung "Fehlanreize": Gentges kritisiert höhere Sozialleistungen für Flüchtlinge
BW-Migrationsministerin Gentges kritisiert die Bundesregierung. Mit der Ausweitung von Sozialleistungen für Geflüchtete seien "Fehlanreize" gesetzt worden - Baden-Württemberg stehe daher vor einer "Herkulesaufgabe".
In Backnang (Rems-Murr-Kreis) entstehen Zelt-Unterkünfte. Rund 300 Geflüchtete sollen darin Platz finden. Laut der Stadt sollen die Zelte bis Juli 2023 bleiben:
Rems-Murr-Kreis und die Flüchtlingskrise Neue Zelt-Unterkunft für 300 Geflüchtete in Backnang
Die Zahlen der Geflüchteten aus der Ukraine steigt seit Monaten deutlich an. Im Rems-Murr-Kreis hat man sich jetzt entschieden, Zelt-Unterkünfte für die Schutzsuchenden zu bauen.
Neckar-Odenwald-Kreis: Auch barrierefreie Wohnungen werden benötigt
Im Neckar-Odenwald-Kreis kommen im Moment auch immer mehr Flüchtlinge an, für die das Landratsamt Unterkünfte sucht. Dabei handele es sich aber nicht nur um Geflüchtete aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Regionen würden Flüchtlinge in den Kreis kommen, heißt es.
Besondere Herausforderung: Viele kommen mit ihren kleineren Haustieren wie Hunden und Katzen, die sie nicht zurücklassen wollten. Deshalb sucht der Kreis vor allem Wohnungen, bei denen die Haltung solcher Tiere nicht durch den Mietvertrag ausgeschlossen wird. Auch der Bedarf an barrierefreien Wohnungen steige, denn dem Neckar-Odenwald-Kreis würden zunehmend Menschen zugewiesen, die auf einen Rollstuhl angewiesen seien, so das Landratsamt. Wenn Wohnungsinhaber ihre Räume speziell nur an Menschen aus der Ukraine vermieten wollen, sei das möglich.
Stadt Suttgart: Kapazitäten sind voll belegt
Die Stadt Stuttgart beschreibt die Lage bei sich als "angespannt". Aktuell sind demnach rund 7.200 geflüchtete Menschen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, etwa 3.000 kommen aus der Ukraine. Insgesamt seien in Stuttgart rund 7.000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine registriert, weit mehr als die Hälfte sei also privat untergekommen. Die Auslastung aller Unterkünften liege aktuell bei etwa 86 Prozent. Anzumerken sei jedoch, dass im September 2022 Plätze in kurzfristig angemieteten Notunterkünften wegfallen. Insofern spricht die Stadt von einer "Vollbelegung".
Wohnsitzauflage bereitet vielen Geflüchteten Probleme
Wie schwierig die Suche nach Wohnraum ist, zeigt sich gerade in der Landeshauptstadt. Im Hotel Dormero in Möhringen sind derzeit provisorisch 400 Geflüchtete unterbracht. "Viele suchen aktiv nach Wohnungen und probieren alles mögliche", berichtet Alena Leis, Sozialarbeiterin bei Caritas in Stuttgart. Allerdings sei es bei den Mietpreisen praktisch unmöglich, eine geeignete Wohnung zu finden. Oft würden sie in Städten außerhalb Stuttgarts fündig, etwa in Esslingen oder Ludwigsburg. Allerdings hätten die meisten Geflüchteten eine Wohnsitzauflage - und dürften deshalb nur in Stuttgart eine Wohnung beziehen. Das erschwere die Suche zusätzlich.
Waisenkinder finden nach sechs Monaten ein Zuhause
Von ähnlichen Schwierigkeiten berichtet die Evangelische Stadtmission in Freiburg. Die Organisation betreut rund 160 Waisenkinder, die im März aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflohen waren. Bis dato seien sie in Flüchtlingsunterkünften untergebracht gewesen, berichtet ein Sprecher der Stadtmission dem SWR. Erst jetzt - rund sechs Monate nach der Ankunft der Waisenkinder - zeichne sich eine Lösung ab. "Es war wahnsinnig schwer, ein geeignetes Objekt für sie und die Betreuerinnen und Betreuer zu finden", betont der Sprecher. Für die Kinder seien demnach drei Gebäude gefunden worden, in der sie künftig angemessen betreut werden sollen.