Ein Kommentar aus dem Neckar-Odenwald-Kreis von Friederike Kroitzsch

Wegen Wohnungsnot: Bauministerin will Städter aufs Land locken

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Autor/in
Friederike Kroitzsch

Das Leben auf dem Land muss "einfacher" und attraktiver werden, damit Städter aufs Land ziehen, sagt Bundesbauministerin Geywitz zur Wohnungsmisere in den Städten. Ein Kommentar.

Die Großstädte platzen aus allen Nähten, die Mieten werden unerschwinglich, und so richtig überzeugende Lösungen hat die Politik bisher dazu nicht bieten können. Jetzt hat die Bundesbauministerin Klara Geywitz eine Idee: Fast anderthalb Millionen leerstehende Wohnungen und Häuser gibt es in Deutschland, die meisten davon auf dem Lande. Also auch in Regionen wie dem Odenwald, dem Kraichgau, in Teilen der Pfalz. Da sollen die Städter hinziehen. Vorher müsse man allerdings das Leben auf dem Lande "einfacher machen", so wird Geywitz zitiert. Eine prima Idee!

Und um eines mal gleich vorweg zu nehmen: Ich bin selber vor Jahren aus der Großstadt Berlin aufs Land gezogen, in ein Dorf mit 360 Einwohnern, einer Kreuzung und einem gelben Briefkasten, tief im Odenwald. Und ich freue mich über jeden, der das auch machen will. Ich kann es auch jedem nur empfehlen.

Nicht nur auf die Ballungszentren konzentrieren

Es werde unserem Land guttun, wenn wir uns nicht nur auf die Ballungszentren konzentrieren, sagt die Bundesbauministerin. Und spricht ein großes Wort gelassen aus: Wir schreiben das Jahr 2023, und die Bundesbauministerin denkt darüber nach, dass wir uns in Deutschland nicht nur auf die Großstädte fokussieren sollen. Diese weise Erkenntnis kommt besser spät als gar nicht, kann ich da nur zähneknirschend sagen.

Öffentlichen Nahverkehr verbessern, weil die Städter kommen

Damit die Städter dann auch wirklich aus den überfüllten Metropolen aufs Land ziehen, muss man hier erstmal das Leben einfacher und attraktiver machen, sagt also die Frau Ministerin in ihrer Weisheit, und schon wieder muss ich mit den Zähnen knirschen. Beispiel: ÖPNV verbessern. Weil die Städter kommen. Wie wir Landleute das bisher ohne ernstzunehmenden ÖPNV gemacht haben, die vergangenen zehn, 20, 30 Jahre, in denen viel Infrastruktur abgeschafft und kaputtgespart wurde: keine Ahnung, das hat auch niemanden so wirklich interessiert. Vielerorts keine vernünftige Verkehrs-Anbindung, kein Bäcker, kein Supermarkt, keine Apotheke mehr – das muss sich jetzt aber schnell mal ändern, sagt Frau Geywitz. Ja, das finden wir auch. Darauf warten wir seit Jahren und Jahrzehnten schon.

Und a propos warten: Bis zu 1,5 Millionen "marktfähige" Wohnungen gibt es also laut Statistiken auf dem Land, die darauf warten, saniert und an Großstädter vermietet oder verkauft zu werden.

Wie frei ist freier Wohnraum auf dem Land?

Fördermittel für solche Sanierungen im Ortskern gibt es auch in Baden-Württemberg schon lange, der wirkliche Ansturm lässt trotzdem auf sich warten. Und - wer sich auf dem Land auskennt - weiß: Viele Immobilienbesitzer hier möchten weder verkaufen noch vermieten, die Häuser mögen leer stehen, die Grundstücke unbebaut bleiben. Sowas gibt man nicht einfach so her.

Aber egal, wie: Wenn jetzt auf dem Lande endlich alles besser wird, weil Großstädter herziehen sollen, dann wollen wir nicht meckern, sondern zufrieden sein. Und wenn eine Bundesministerin im Jahr 2023 die bahnbrechende Erkenntnis verkündet, dass man sich in Deutschland nicht nur auf die Ballungszentren konzentrieren soll, dann staunen wir und freuen uns jetzt einfach mal. In diesem Sinne: schöne Grüße vom Lande, schöne Grüße aus dem Odenwald!

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Friederike Kroitzsch

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