Im Prozess um den Tod eines Mannes nach einem Polizeieinsatz in Mannheim hat das Landgericht den Hauptangeklagten zu einer Geldstrafe verurteilt. Sein Kollege wurde freigesprochen.
Das Mannheimer Landgericht hat am Freitag das Urteil gegen zwei Polizisten des Polizeipräsidiums Mannheim gesprochen, die einen Mann zurück in das Zentralinsitut für Seelische Gesundheit in Mannheim bringen sollten. Der 47 Jahre alte Mann war nach dem Polizeieinsatz auf dem Mannheimer Marktplatz am 2. Mai 2022 gestorben. Das Gericht verurteilte den 27-jährigen Hauptangeklagten zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen je 50 Euro wegen Körperverletzung im Amt. Seinen Kollegen sprach das Gericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen frei. Mit dem Urteil können beide Polizisten im Dienst bleiben.
Todesursache nicht eindeutig feststellbar
Der 47-jährige Psychiatrie-Patient des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) war am 2. Mai 2022 in einem psychischen Ausnahmezustand. Sein Arzt hatte die Polizei gerufen, weil er befürchtete, dass sich der Patient selbst gefährdet. Der Hauptangeklagte, ein 27-jähriger Polizist, hatte dem 47-Jährigen bei dem Einsatz Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und ihn vier Mal mit der Faust geschlagen.
Im Prozess war nach unterschiedlichen Gutachteraussagen nicht eindeutig geklärt worden, woran der 47-Jährige nach dem Einsatz auf dem Mannheimer Marktplatz gestorben ist. Die Gutachterin der Anklage hatte von Ersticken als Folge von Polizeigewalt gesprochen. Der von der Verteidigung beauftragte Gutachter hingegen sah als Todesursache die Herzschwäche des Mannes.
Die Kammer befand, dass nach der Aussage von vier Gutachtern nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit habe festgestellt werden können, dass der 47-Jährige als Folge der Gewalteinwirkung durch die Polizisten starb. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass der 47-Jährige mit seinem schwer vorgeschädigten Herz wegen der Erregung und Anstrengung einen plötzlichen Herztod erlitt.
Vorsitzender Richter: Vier Faustschläge waren nicht gerechtfertigt
Das Landgericht Mannheim stellte fest, dass der hauptangeklagte 27-jährige Polizist sich bei dem Geschehen am 2. Mai 2022 auf dem Marktplatz in Mannheim der Körperverletzung im Amt schuldig gemacht hat. Die vier Faustschläge gegen den Kopf des 47-Jährigen seien nicht gerechtfertigt gewesen, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Sie seien nicht durch Notwehr begründbar und auch nicht nach dem Polizeirecht.
Dass die beiden Polizisten den 47-jährigen Mann zu Boden gebracht und anschließend gefesselt hätten, sei nach dem Polizeigesetz gedeckt gewesen. Ein Gespräch mit dem 47-Jährigen sei ohne Erfolg geblieben. Der Mann habe sich widersetzt, losgerissen und einem der beiden Polizisten zwei Schläge ins Gesicht versetzt. Den Einsatz des Pfeffersprays wertete die Kammer als Notwehr, weil der 47-Jährige "mit erhobener Faust und drohender Körperhaltung zu einem Schlag gegen den Beamten angesetzt" habe.
Polizisten seien zu Einsatz "verpflichtet gewesen"
Der Vorsitzende Richter führte weiter aus, dass der Einsatz der Polizei notwendig gewesen sei. Der behandelnde Psychiater habe am Morgen des 2. Mai 2022 einen akuten Krankheitsschub paranoider Schizophrenie bei dem 47-Jährigen festgestellt und diesen als akut eigengefährdet angesehen. Er habe daraufhin angeordnet, dass der Mann in der geschlossenen Abteilung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit bleiben müsse. Da der Mann der Aufforderung des Arztes nicht nachgekommen sei, habe dieser sich an die Polizei gewandt.
Die Polizisten hätten handeln müssen und keinen Spielraum gehabt, so der Richter. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass von einer psychotischen Person größere Gefahr ausgeht. Es sei darum gegangen, Gefahr für die Person selbst und für die Allgemeinheit abzuwenden.
Tod und Umstände des Todes seien "tragisch"
Tragisch an dem Geschehen ist nach Auffassung des Schwurgerichts, dass der 47-jährige Mann im Zuge eines Polizeieinsatzes verstorben sei, der das Ziel gehabt habe, ihn in ein psychiatrisches Krankenhaus zurückzubringen, und dass er - unabhängig von der Frage, was die konkrete Todesursache gewesen sei - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ohne diesen Polizeieinsatz nicht zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre.
Staatsanwaltschaft hatte relativ milde Strafe gefordert
Aufgrund der unterschiedlichen Gutachten war die Staatsanwaltschaft im Laufe des Prozesses vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge abgerückt.
Disziplinarverfahren gegen die beiden Beamten
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sobald das der Fall ist, wird das Polizeipräsidium Mannheim nach eigenen Angaben die Disziplinarverfahren gegen die beiden Polizeibeamten weiterführen. Es handele sich beim Disziplinarverfahren um ein unabhängiges Verfahren, bei welchem die für Beamtinnen und Beamte geltenden Regelungen und Pflichten betrachtet würden. Die Feststellungen des Gerichtsurteils seien dabei bindend und würden mitaufgenommen.
Verteidigung mit Urteil zufrieden - Nebenklage will in Revision gehen
Für sie sei das Urteil nachvollziehbar, sagte die Anwältin des hauptangeklagten Polizisten, Andrea Combé. Für sie sei es wichtig, dass das Verhalten ihres Mandanten "nichts mit dem Ableben des Geschädigten" zu tun gehabt habe.
Nebenklage legt Revision ein
Der Anwalt der Nebenklage sagte, das Urteil sei eine "Diskriminierung von psychisch kranken Menschen". Es könne nicht sein, dass ein psychisch kranker Mensch im Rahmen eines Polizeieinsatzes stirbt und zwei Privatgutachten "die Theorie in den Raum werfen, dass es möglicherweise doch ein plötzlicher Herzinfarkt gewesen ist", und das Gericht am Ende Zweifel hat, ob es ein Herzinfarkt ist oder nicht und das Gesamtgeschehen dieser Tat nicht angemessen würdige, sagte der Anwalt der Nebenklage nach dem Urteil. Mittlerweile hat er nach eigenen Angaben beim Landgericht Mannheim Revision eingelegt.
Proteste in Mannheim
Der Tod des 47-Jährigen im Mai 2022 hatte eine Debatte ausgelöst, ob Mannheimer Polizisten und Polizistinnen generell gut genug auf den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen vorbereitet sind. In der Stadt bildete sich nach dem Tod des 47-Jährigen die Initiative "2. Mai Mannheim", die Demonstrationen und Mahnwachen gegen Polizeigewalt organisierte.
Initiative 2. Mai bezeichnete Urteil als "verstörend"
Eine Sprecherin der Initiative 2. Mai hatte das Urteil im Gerichtssaal mitverfolgt und bezeichnete dieses im Anschluss als "verstörend". Es gebe von Seiten der Angehörigen und der Initiative großes Unverständnis über dieses Urteil. Das Urteil bedeute, dass die beiden angeklagten Polizisten weiter im Polizeidienst sein dürfen.
Zudem sei von Anfang an deutlich gewesen, dass der Prozess "sehr voreingenommen" geführt worden sei. Bei dem Prozess sei es zu Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gekommen, nicht nur von Seiten der Verteidigung, sondern auch von Seiten des Staatsanwalts und des Vorsitzenden Richters. Das zeige sich jetzt auch im Urteil.
Die Initiative 2. Mai kündigte zudem eine Mahnwache für den 15. März am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt auf dem Mannheimer Marktplatz an.
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