Der Verwaltungsgerichthof Mannheim hat die Klage von Tierschützern gegen einen Putenmastbetrieb zurückgewiesen. Einen Teilerfolg können die Aktivisten trotzdem verbuchen.
Der Verein "Menschen für Tierrechte" hatte das Land Baden-Württemberg verklagt, weil die Behörden nicht gegen einen Putenmastbetrieb in Ilshofen im Landkreis Schwäbisch-Hall vorgegangen sind. Nach Auffassung der Tierschützer leben die Tiere in diesem Betrieb unter quälenden Bedingungen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat die Klage jetzt aber zurückgewiesen.
Trotzdem haben die Aktivisten etwas erreicht. Bevor es zur Klage am VGH kam, hatten die Tierschützer das Land und die Behörden schon 2017 dazu aufgefordert, die Putenmast in dem besagten Betrieb zu verbieten. Diese Forderung wurde zwar zurückgewiesen. Der VGH hat das Land aber dazu verpflichtet, erneut über die Forderung zu entscheiden. Und zwar auf Grundlage der Rechtsauffassung des VGH.
Die Albert-Schweitzer-Stiftung, die sich aktiv an den Protesten beteiligt hat, nennt den bislang bekannten Tenor des Urteils einen klaren Erfolg.
Eine ausführliche Urteilsbegründung gibt es noch nicht, sie wird vom Gericht in spätestens fünf Monaten nachgereicht. In der Regel dauert die Urteilsbegründung beim VGH aber nur einige Wochen.
Zur Verhandlung am Donnerstag waren rund 30 Tierschützer aus ganz Deutschland nach Mannheim gekommen, um gegen die aus ihrer Sicht quälenden Haltungsbedingungen der Puten zu protestieren.
Schnabelamputation beherrschendes Thema
In der Verhandlung ging es verstärkt um die Schnabelamputation. In der Putenmast würden die Tiere zu eng gehalten und würden sich deshalb oft durch ständiges Picken verletzen. Den Küken wird in den Brütereien auch deshalb der Schnabel teilweise amputiert. Der vom Gericht bestellte Gutachter Michael Erhard sagte, es gebe keine wissenschaftlichen Zweifel, dass dies dauerhafte Schmerzen bei den Tieren auslöse.
Tierschutzgesetz ohne spezielle Regeln
An der mündlichen Verhandlung nahmen als Beigeordnete auch der Eigentümer des Putenmastbetriebs mit seinem Anwalt teil. Die Entscheidung des VGH wurde von den Kritikern der Putenmast mit Spannung erwartet, denn im deutschen Tierschutzgesetz ist sie nicht ausdrücklich geregelt. Auch der Vorsitzende Richter betonte, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung keine spezifischen Regeln für Puten enthalte. Es fehle an Rechtsverordnungen zur Auslegung des Gesetzes.
Besatzdichte als zu hoch kritisiert
Der Gutachter erklärte, die Besatzdichte in den Putenmastbetrieben sei generell zu hoch. Die aktuellen Gruppengrößen seien nicht artgerecht. Die hohe Besatzdichte führe zu einem gestörten Sozialverhalten der Vögel. Es gibt verschiedene Formen des Pickens: von aggressivem Federpicken bis hin zum Kannibalismus oder Rangpicken. Die Puten würden sich wund oder sogar totpicken, weil das übliche Rangordnungsverhalten in einer unüberschaubaren Gruppe nicht mehr funktioniere.
Auf eine maximale Gruppengröße wollte sich der Gutachter nicht festlegen, dies könne stark schwanken, eine Zahl von 30 Tieren sei aber als Ausgangspunkt realistisch.
Gegenseite spricht von artgerechter Tierhaltung
Die Vertreter des Landes Baden-Württemberg und des beispielhaft herangezogenen Betriebes aus Ilshofen im Landkreis Schwäbisch Hall gingen in diesem Verfahren bei der Putenmast von einer "artgerechten Tierhaltung mit gewissen Einschränkungen" aus.
"Schmerzen, Leiden oder Schäden"
Letztlich ging es um die Auslegung von Paragraph 2 des Tierschutzgesetzes. Er legt fest, dass die Tierhaltung "die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken (darf), dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden".