Sprechen Kinder an Schulen immer schlechter deutsch? Olaf Scholz hat auf diese Kritik einer Mannheimerin mit einem Vorschlag reagiert. Der Kanzler verteidigte außerdem die Grünen.
In Mannheim hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend die Fragen von 170 Bürgerinnen und Bürgern beantwortet. Diese hatten sich auf die Teilnahme am 11. "Kanzlergespräch" beworben und waren ausgelost worden. Bei den Fragen ging es unter anderem um Sprachprobleme an Schulen, Bildungsgerechtigkeit, aber auch um den Angriff der Hamas auf Israel und die deutsche Enthaltung bei der Resolution bei den Vereinten Nationen.
Scholz schlägt Deutsch-Vergleichstests für Kinder vor
Eine Mannheimer Mutter dreier Kinder fragte Scholz, ob er eigentlich wisse, was für Zustände an deutschen Gesamtschulen herrschten. Es seien zu "80 Prozent Kinder an Gesamtschulen und Hauptschulen, die nicht fit" seien im Deutschen.
Die Mutter erzählte, dass sie selbst aus Kolumbien stammt und im Alter von fünf Jahren nach Deutschland gekommen sei. Mittlerweile sei es aber offenbar "in", Deutsch nicht richtig zu sprechen, sie hätten ihre Tochter deswegen nun an einer privaten Realschule angemeldet.
Scholz sagte dazu, dass es wichtig sei, dass "alle, die in Deutschland aufwachsen", die deutsche Sprache auch beherrschen. Er plädierte für vergleichende Deutsch-Tests an Schulen, die alle zwei Jahre durchgeführt werden sollten. An allen Schulen, in denen die Ergebnisse nicht so gut ausfielen, solle dann nachgesteuert werden, so Scholz.
Scholz: Mehr in Bildungsgerechtigkeit investieren
Eine Lehramtsstudentin berichtete Scholz von ihren Erfahrungen im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-West, einem sozialen Brennpunkt. Sie fragte, warum der Wohnort von Kindern und Jugendlichen immer noch mit der Bildungsgerechtigkeit zusammenhänge. Im Stadtteil Lindenhof gingen 80 Prozent der Kinder nach der Grundschule auf ein Gymnasium, in der Neckarstadt-West nur 30 Prozent. Wie könne man den Kindern in der Neckarstadt-West Hoffnung machen?
Scholz sagte dazu, dass es hilfreich für Bildungsgerechtigkeit wäre, wenn Gelder vermehrt dort eingesetzt würden, wo die Herausforderungen am größten seien.
Man müsse gemeinsam überlegen, wie es möglich werde, dass die teuerste, prächtigste und modernste Schule genau an einem solchen Ort wie der Neckarstadt-West gebaut werde.
Scholz warnt Hisbollah vor Eingreifen in Israel
Bei dem Kanzlergespräch kam auch die Frage einer Mannheimer Studentin auf, warum sich Deutschland in der UN-Vollversammlung Ende Oktober bei der Resolution über eine Waffenruhe im Gaza-Streifen enthalten und sich ins "neutrale Feld" eingeordnet habe.
Olaf Scholz sagte dazu, Deutschland sei in dieser Sache überhaupt nicht neutral, Deutschland stehe auf der Seite Israels. Ohne eine klare Verurteilung der Hamas und ohne Benennung des Selbstverteidungsrechts Israels habe es von deutscher Seite keine Zustimmung zu der Resolution geben können, so Scholz.
Scholz bezeichnete den Angriff der Hamas auf Israel als "barbarischen Akt". Es gehe darum, nun zu verhindern, dass die Situation eskaliert. Deswegen werde er unter anderem mit dem ägyptischen Präsidenten, dem jordanischen König, dem Emir von Katar oder dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate sprechen.
Die Hisbollah habe im Libanon 150.000 Raketen liegen. Ein Krieg wäre mit furchtbaren Zerstörungen verbunden. Es müsse zudem auch klare Signale an Syrien, Irak, Jemen und Iran geben, dass sie sich raushalten und nicht aktiv intervenieren sollten, so Scholz.
Scholz betonte weiter, dass Deutschland, die EU und auch die Amerikaner sich weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung aussprächen. Für eine friedliche Zukunft von Israel und einen palästinensischen Staat im Westjordanland und Gaza, der keine Bedrohung für Israel sei, wo es aber eine Perspektive gebe. Das sei auch der Beschluss im Europäischen Rat gewesen, so Scholz.
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Lob für Habecks Rede gegen Antisemitismus
Scholz verteidigte in Mannheim außerdem die Arbeit der Grünen-Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock gegen die scharfe Kritik eines Fragestellers. Beide würden "gute Arbeit leisten und sich sehr viel Mühe geben, dass die Welt zusammenhält". Ausdrücklich lobte er Vizekanzler Robert Habeck für seine vielbeachtete Video-Ansprache gegen Antisemitismus. Das sei ein Zeichen, so Scholz zu dem kritischen Bürger, dass dieser mit seiner Einschätzung nicht ganz richtig liege.
Mannheim war die 11. Station bei den "Kanzlergesprächen"
Das "Kanzlergespräch" in Mannheim war die 11. Station des Bundeskanzlers. Olaf Scholz reist im Rahmen der Veranstaltungsreihe durch alle 16 Bundesländer, um dort die Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten. Die Fragen sind ihm vorab nicht bekannt. Scholz war in den vergangenen zwölf Monaten unter anderem in Cottbus (Brandenburg), Marburg (Hessen) und Füssen (Bayern). Begonnen hatte die Reihe im Juli 2022 in Lübeck (Schleswig-Holstein).
Besuch bei Freudenberg in Weinheim
Vor dem Bürgerdialog in Mannheim war der Kanzler im Weinheimer Technologie-Unternehmen Freudenberg (Rhein-Neckar-Kreis) zu Gast. Dort hatte er sich unter anderem über das Thema Brennstoffzellen informiert. Es sei, sagte Scholz, wichtig, dass bei Freudenberg "in industrialisierter Form Dinge entwickelt werden, die zentral sind für das, was wir für eine CO2-neutrale Zukunft brauchen". Außerdem hat sich der Kanzler ins Goldene Buch der Stadt Weinheim eingetragen.
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Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in Weinheim bei der Firma Freudenberg über Technologie für Brennstoffzellen informiert. Am Abend stellt er sich Fragen von Bürgern in Mannheim.