Fast die Hälfte der Mannheimer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Schwer abschätzbar: Das Wahlverhalten dieser Wählergruppe - wegen der schwierigen Daten- und Rechtslage.
Zur Frage der "Wahlbeteiligung nach Staatsangehörigkeit" lohnt ein Blick in die Statistik der Stadt Mannheim zur vorigen OB-Wahl im Jahr 2015. Darin heißt es: "Personen (mit Migrationshintergrund) mit deutschem Pass nahmen von der Möglichkeit, wählen zu gehen, mit einem Anteil von 35,4 Prozent (im ersten Wahlgang) deutlich häufiger Gebrauch" als Menschen aus einem EU-Staat ohne deutschen Pass. Konkret: Bei Migranten mit EU-Pass lag die Wahlbeteiligung nur bei etwa fünf Prozent.
Gründe für niedrige Wahlbeteiligung vielfältig
Die Gründe dafür sind vielfältig, so Zahra Alibabanezhad Salem, die Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats. Es liege zum Beispiel daran, wie lange diese Menschen schon hier seien und welche Diskriminierungen sie hier erlitten haben.
Welche Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht wahlberechtigt?
Laut Stadt gibt es unter den rund 235.000 Wahlberechtigten für die Mannheimer OB-Wahl etwa 42.000 Menschen, die nicht wählen dürfen. Ein Anteil von 15 Prozent. Diese Menschen haben weder eine EU-Staatsbürgerschaft, noch einen deutschen Pass. Unter dieser Gruppe sind auch türkischstämmige Menschen, die in Mannheim leben, aber nur den türkischen Pass haben. Die Türkei ist bekanntlich kein EU-Mitglied.
"Kostenlose Kindergartenplätze für Kinder mit Migrationshintergrund"
Unter den acht OB-Bewerbern versteht sich vor allem der aus der Türkei stammende Kandidat Ugur Cakir (parteilos) als Anwalt der migrantischen Wähler in Mannheim. Er sagte dem SWR, er sei überzeugt davon, je besser und eher die Migranten hier deutsch beherrschten und je besser die Bildung, desto eher gingen sie zur Wahl. Entsprechend fordert Cakir unter anderem kostenlose Kindergartenplätze für Kinder mit Migrationshintergrund. Denn ohne frühe Deutschkenntnisse hätten diese Kinder schlechte Startchancen, so Cakir.
Wie erreichen OB-Kandidaten die migrantischen Wähler in Mannheim?
Bildungschancen von Kindern verbessern - ob mit oder ohne Migrationshintergrund: Dieses Ziel haben freilich auch viele andere Kandidatinnen und Kandidaten in ihrem jeweiligen Wahlprogramm. Aber wie erreichen die Kandidierenden die migrantischen Wähler mit ihren Inhalten überhaupt?
CDU-Kandidat Christian Specht setzt eigenen Angaben zufolge im Wahlkampf zum Beispiel auf mehrsprachige Nachrichten in den sozialen Medien. Als Sicherheitsdezernent habe er bereits die Erfahrung gemacht, wie wichtig es sei, die Sicherheitsbroschüren der Stadt in mehreren Sprachen zu veröffentlichen. Er organisiert zudem zusammen mit dem deutsch-türkischen Institut Veranstaltungen, bei denen es darum geht, junge Migranten für Ausbildungs-Jobs zu gewinnen.
SPD-Kandidat Thorsten Riehle teilte dem SWR mit, er habe unter anderem ein "Speed Dating" mit Jugendlichen in der Mannheimer Sultan-Selim-Moschee auf die Beine gestellt. Zudem steht er im Austausch mit italienischen Vereinen und der griechischen Gemeinde in Mannheim. Auch Riehle wirbt eigenen Angaben zufolge mehrsprachig für sich.
Vision für künftige Wahlen: Wahlrecht von Staatsbürgerschaft entkoppeln?
Die Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats, Zahra Alibabanezhad Salem, hat schließlich noch eine Idee, wie man künftig insgesamt mehr Menschen mit Migrationshintergrund in die Wahlkabine locken kann. Sie schlägt gegenüber dem SWR vor, das Wahlrecht von der Staatsangehörigkeit zu entkoppeln. Das Kommunalwahlrecht sei "ideal dafür". Es betreffe ganz direkt so viele Menschen.