Wissenschaftler aus Heidelberg und Mannheim haben einen auf KI basierenden Chatbot entwickelt. "UroBot" hat die Facharztprüfung bestanden. Müssen sich jetzt Spezialisten sorgen?
"UroBot", erklärt Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, könne in seiner Genauigkeit erfahrene Urologen übertreffen. Der Chatbot basiert dabei auf dem Sprachmodell GPT-4o von OpenAI. Die Künstliche Intelligenz (KI) ist dadurch in der Lage, auf individuelle urologische Fragen die passenden Informationen aus hunderten von Dokumenten abzurufen. Für Patientinnen und Patienten könnte das in Zukunft bedeuten: Exakte, blitzschnelle Antworten auf komplexe Fragen zu bekommen.
Noch ist "UroBot" in der Studienphase. Doch bereits jetzt ist klar: KI wird in der Medizin die Behandlung und Versorgung in Zukunft massiv verändern. Ärztinnen und Ärzte müssten sich aber keine Sorgen um ihren Beruf machen, glaubt Brinker. "Das denke ich auf keinen Fall. Medizin ist nicht nur dazu da, Informationen weiterzugeben." Aber Sprachmodelle könnten eben genau das sehr gut. Die KI wurde an 200 Fachfragen des European Board of Urology getestet. Die Studie zeige, "welches Potenzial in der Verbindung von großen Sprachmodellen mit evidenzbasierten (Anm. der Redaktion: auf wissenschaftliche Belege gestützten) Leitlinien steckt", so Brinker. Und das ist der Knackpunkt.
Konkurrenz zwischen menschlicher Expertise und Medizin-KI?
Bei all dem messbaren Erfolg der KI schwingt immer auch die Frage mit, wie Ärztinnen und Ärzte in Zukunft damit arbeiten werden. Oder ob es überhaupt erstrebenswert ist, dass eine KI Fachärzte übertrumpft. "Der Deutsche Ethikrat würde sagen: nein," sagt Brinker. "Weil letztlich ein Computer nie einen Körper haben wird, nie Gefühle haben wird, nie selber Verantwortung übernehmen kann und vor dem Hintergrund menschliche Entscheidungen insbesondere bei einem sensiblen Thema wie der Gesundheit nicht alleine treffen sollte."
Für das Forscherteam rund um Brinker ist aber die Verzahnung zwischen menschlicher Expertise und der KI das Entscheidende. Brinker nennt es "Blended Intelligence". Zwei Beispiele: "Eine KI hat viel Zeit. Sie kann Patienten viel umfassender aufklären, als ein Arzt, der in der Regel die Zeit gar nicht hat," sagt Brinker. Außerdem würden Krebs-Therapien immer individueller und komplexer. Die KI könnte hier notwendige Informationen für Ärztinnen und Ärzte schneller aufbereiten.
Dass es in den kommenden Jahren wegen KI-Fortschritten jedoch keine Fachärzte oder auch Hausärzte mehr geben wird, daran glaubt Brinker nicht. Der Vordenker und gerade mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnete Geoffrey Hinton hat dieses Thema jüngst in die Debatte gebracht. Der KI-Vordenker ist gleichzeitig einer der schärfsten Kritiker generativer KI. Brinker dagegen ist davon überzeugt, dass KI in der Medizin Ärzte dort unterstützen wird, wo es besonders notwendig ist: Beim Faktor Zeit.
KI-Bots keine "Vorsorge-Garantie"
Wenn sich mit Hilfe der KI immer genauere Diagnosen oder Früherkennungen erstellen lassen, wird es dann in Zukunft auch weniger Erkrankungen geben? Noch ist Brinker bei diesem Thema vorsichtig. "Es braucht immer noch die Geräte für die Screening-Untersuchungen, die wir in Deutschland haben, für Früherkennung beispielsweise von Lungenkrebs, Brustkrebs, Hautkrebs und so weiter. Das heißt, da kann es weiterhin ein Mangel geben."
Ohne KI - da ist sich Brinker sicher - werde die ärztliche Versorgung in zehn Jahren aber nicht mehr funktionieren. Noch ist "UroBot" nicht zugelassen. Im kommenden Jahr könnte es aber bereits Anwendungen im Informationsbereich beim Krebs-Informationsdienst des DKFZ in Heidelberg geben. Dort antworten derzeit noch Ärzte, ab 2025 könnten dann im Test-Lauf auch Bots Antworten geben.
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