Die Dauer-Krise der vergangenen Jahre hat die Kommunen im Land stark gefordert. Trotzdem haben viele die Probleme vergleichsweise gut bewältigt - so auch die Stadt Schwetzingen (Rhein-Neckar-Kreis). Wie belastend die Zeit gewesen ist und welche Lehren daraus gezogen werden, darüber hat SWR Aktuell mit Oberbürgermeister René Pöltl (parteilos) gesprochen.
SWR Aktuell: Wie stark ist die Verwaltung denn durch die vergangenen Jahre belastet?
René Pöltl: Wir sind, was das Gesamtgefüge angeht, seit Anfang 2020 alle am Anschlag. Dass wir drei Jahre lang Krisenmanagement betrieben haben, hat uns sehr vereinnahmt. Wir sind tatsächlich an der Grenze dessen, was wir noch leisten können. Insofern schauen wir auch sehr skeptisch nach Berlin und ein Stück weit auch nach Stuttgart, was da alles an neuen Ideen erkoren wird, die wir eigentlich nicht umsetzen können. Das wird zu einem hohen Frustrationsgrad auch bei den Bürgerinnen und Bürgern führen. Wir führen ja praktisch alles aus für Bund und Land, und dann sagen wir: "Es tut uns leid. Aber so, wie sich das die anderen vorgestellt haben, kriegen wird das vor Ort gar nicht hin."
SWR Aktuell: Was meinen Sie konkret? Können Sie uns Beispiele nennen?
Pöltl: Wir haben natürlich auch in der Flüchtlingskrise einen Wechsel der Rechtsgrundlage erfahren, der zu einem zusätzlichen Arbeitsaufwand geführt hat. Wir wussten gar nicht mehr, wo uns der Kopf steht und wie wir das noch hinbekommen können. Jetzt haben wir eine Reform des Wohngeldes, auf das jetzt mehr Menschen Anspruch haben. Das will ich per se gar nicht in Frage stellen, als politische Idee. Aber wir haben gar nicht das Personal, um das alles umsetzen zu können. Und jetzt soll es ein erweitertes Einbürgerungsrecht geben, wo noch mehr Menschen den Anspruch auf Einbürgerung haben. Auch das ist als politische Idee durchaus nachvollziehbar, aber wir können es gar nicht umsetzen. Ganz viele Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens wissen nicht mehr, wo die Menschen herkommen sollen, die die Arbeit erledigen.
SWR Aktuell: Zuletzt ist Schwetzingen eigentlich wegen einer Kleinigkeit in die Schlagzeilen geraten: Die Staatlichen Schlösser und Gärten hatten geplant, das Rokoko-Theater nach seinem Erbauer in "Pigage-Theater" umzubenennen. Nach großen Widerständen wurde die Entscheidung zurückgenommen. Was halten Sie davon?
Pöltl: Man muss einfach sagen, dass die Bezeichnung des Rokokotheaters eine sehr emotionale Bindung in die Stadtgesellschaft hinein hat, weil die Schwetzingerinnen und Schwetzinger seit Generationen mit dem Namen Rokokotheater leben. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sie dann auch sehr emotional reagiert haben. Viele haben gesagt: Was soll der Blödsinn? Wir wollen das nicht umbenennen, das ist unser Rokokotheater. Und das soll es auch bleiben. Ich glaube, man hätte das mit einem moderierten Prozess vielleicht besser machen können. So kam nur eine Pressemitteilung, und die Leute fühlten sich überrumpelt. Es war auch schwer zu kommunizieren, was die inhaltlichen Gründe sind.
SWR Aktuell: Kommen wir wieder zu wichtigeren Dingen. Die Stadt Schwetzingen steht finanziell gut da, aber die Herausforderungen sind so groß wie noch nie. Was wünschen Sie sich für das Jahr 2023?
Pöltl: Was ich mir wünsche, ist, dass es nicht mehr so massiv auf uns zukommt, wie in den vergangenen Jahren. Wir müssen einfach mal wieder durchatmen und uns auf das konzentrieren, was essenziell ist. Wir müssen die Kräfte ein Stück weit bündeln. Ich glaube, wenn wir das nicht tun, werden wir uns verzetteln und es nicht hinbekommen. Wir wollen immer noch drauflegen, drauflegen, drauflegen - obwohl wir sehen, dass es zwei, drei, vier Themen gibt, die uns maximal fordern. Das ist der Wohnraum, das ist die Modernisierung unserer Bildungslandschaft. Und es ist natürlich auch ein Stück weit der Klimawandel, weil wir auf der energetischen Seite nicht wissen, wie wir die Energiemengen hierher bekommen, die wir eigentlich brauchen, um als Gesellschaft zu existieren. Darauf müssen wir uns konzentrieren und den Mut haben, andere Dinge auch mal ein Stück weit liegen zu lassen, weil ich sehe, dass wir das nicht alles hinkriegen. Deswegen sollten wir auch nicht ständig neue Ideen in unsere Gesellschaft einbringen, die vielleicht per se sinnvoll sind, im Moment aber gar nicht mehr bewältigt werden können. Das wäre mein Wunsch an alle: Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Dinge hinzubekommen, die wichtig sind.