Der Bebauungsplan eines Neubaugebietes in Gaiberg ist unwirksam. Ein Erfolg für Umweltschützer, die geklagt hatten. Fachleute rechnen mit einer weitreichenden Wirkung des Urteils.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat Umweltschützern Recht gegeben, die eine Streuobstwiese in der Gemeinde Gaiberg (Rhein-Neckar-Kreis) retten wollen. Es kippte den Bebauungsplan für das geplante Neubaugebiet und hob damit eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim auf. Das Urteil könnte deutschlandweite Wirkung haben.
Bebauungsplan ohne Umweltprüfung nicht rechtens
Laut Bundesverwaltungsgericht ist ein Passus im Baugesetzbuch nicht mit EU-Recht vereinbar. Freiflächen, die kleiner sind als 10.000 Quadratmeter und außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde liegen, dürften nicht in einem beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung überplant werden - so das BVerwG. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hatte geklagt. Konkret ging es um das Gaiberger Neubaugebiet "Oberer Kittel/Wüstes Stück".
Früher war die Fläche am Ortsrand von Gaiberg eine Streuobstwiese. Der vor vier Jahren beschlossene Bebauungsplan der Gemeinde erlaubt dort Wohnhäuser mit bis zu zwei Geschossen. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Bebauungsplan nun unwirksam.
Keine Probleme für bereits gebaute Häuser
Auf bereits gebaute Häuser soll sich das Urteil allerdings nicht auswirken, sagt der Fachanwalt für öffentliches und privates Baurecht, Jürgen Behrendt, der die Gemeinde vertritt. Diese muss nun aber ein neues Genehmigungsverfahren für ihr Neubaugebiet einleiten.
Auch aus der Sicht von Kolja Schwartz aus der ARD-Rechtsredaktion sind die direkten Auswirkungen für Bauherren in Gaiberg gering. Es würden keine Häuser abgerissen und halbfertige Häuser können weitergebaut werden. Verzögerungen könne es allerdings geben, wenn Menschen zwar einen Bauplatz haben, aber noch keine Baugenehmigung. Denn die gibt es erst, wenn es einen neuen Bebauungsplan gibt.
Bundesweite Auswirkungen des Urteils?
Viele Gemeinden hätten das beschleunigte Verfahren genutzt, um Zeit zu sparen, sagt Baurechts-Anwalt Jürgen Behrendt. Nach Einschätzung der Gaiberger Verwaltung könnten Hunderte, wenn nicht Tausende Gemeinden in ganz Deutschland von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betroffen sein.
Auch aus Sicht des BUND geht das Urteil weit über den konkreten Fall in Gaiberg hinaus, sagt Rechtsanwalt Dirk Teßmer. Denn es gelte bundesweit für alle Bebauungspläne, die nach Paragraf 13b des Baugesetzbuchs aufgestellt wurden.
Kritik an Entscheidung des BVerwG
Kritik am Urteil kommt vom baden-württembergischen Baupräsidenten Markus Böll. Der Versuch, dringend benötigten Wohnraum in Gemeinden zu schaffen, werde dadurch konterkariert. Den Kommunen werde so die "Flexibilität zu schnellen und sinnvollen Entscheidungen für eine erweiterte Wohnbebauung am Ortsrand genommen", so Böll.
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund bedauert die Entscheidung des Gerichts. Verfahren nach Paragraf 13b hätten sich bewährt, um Wohnraum zu schaffen. Nun werden Gemeinden nicht nur vor große Herausforderungen gestellt, sondern auch die Verfahrensdauer verlängert, so Marianna Roscher, Referatsleiterin für Städtebau, Wohnen und Klimaschutz. Der Städte- und Gemeindebund fordere daher zeitnah eine alternative Vorschrift, die die Schaffung von Wohnraum in einem möglichst unbürokratischen Verfahren ermögliche.