Aras: "Gefahr für die Demokratie"

Baden-Württemberg will Kampf gegen Antisemitismus stärken

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Autor/in
Michael Ströbel

Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) will mehr Geld für den Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus zur Verfügung stellen. Unterstützt wird das von vier Fraktionen.

Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat die Gesellschaft aufgerufen, sich gegen Judenhass einzusetzen. Der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume, soll dafür mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommen.

"Wer den Antisemitismus nur der Jüdinnen und Juden zuliebe bekämpft, hat noch überhaupt nicht begriffen, wie gefährlich dieser Verschwörungsglauben ist", sagte Michael Blume am Donnerstag im Landtag. Antisemiten seien nicht demokratie- und nicht friedensfähig und damit eine Bedrohung für alle Menschen. "Eine Lehre der Geschichte und Gegenwart ist: Wer eine Religion, einen Staat, ein Volk dem Vernichtungswahn Preis gibt, macht sich mitschuldig, dass keine Religion, kein Staat, kein Volk mehr sicher ist."

Zahl der antisemitischen Straftaten verdreifacht

Das Land sei für die gegenwärtige Krise dagegen gewappnet und auch im Kampf gegen den Islamismus stark, sagte Blume. "Der Versuch der Hamas, einen weltweiten Religionskrieg herbeizubomben scheitert hier in Baden-Württemberg". Die Vielfalt der Religionen stünde auch in Baden-Württemberg zusammen, das habe er erleben dürfen.

Blume verwies in seinem Bericht darauf, dass sich die Zahl der Verurteilungen wegen antisemitischer Straftaten in den vergangenen Jahren verdreifacht habe. Auch die aktuelle Entwicklung sorge seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel für große Verunsicherung unter den Juden in Baden-Württemberg: "Wann immer Menschen in Freund-Feind-Dualismus; in Verschwörungsmythen abdriften, nähern sie sich voller Hass und Bildungsneid dem Antisemitismus", sagte Blume. "Dabei sollte eines klar sein: Entweder wir haben eine gemeinsame Zukunft, oder wir haben keine."

Michael Blume (Mitte) mit Majid Khoshlessan (links), Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mannheim, und Heidrun Kämper (rechts), Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim, unterhalten sich in der dortigen Synagoge während eines Treffens von Vertretern der israelitischen Religionsgemeinschaften und von muslimischen Verbänden am 2. November.
Michael Blume (Mitte) mit Majid Khoshlessan (links), Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mannheim, und Heidrun Kämper (rechts), Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim, unterhalten sich in der dortigen Synagoge während eines Treffens von Vertretern der israelitischen Religionsgemeinschaften und von muslimischen Verbänden am 2. November.

Regierung will Beauftragten gegen Antisemitismus besser ausstatten

Zu Beginn der Debatte sagte Landtagspräsidentin Aras: "Immer wieder müssen wir unmissverständlich deutlich machen: Wir dulden keinen Antisemitismus." Man müsse die Entwicklungen der vergangenen Wochen ernst nehmen, mahnte sie. Die Geschichte lehre, dass man Extremisten nicht unterschätzen dürfe. "Wer die Grund- und Freiheitsrechte missachtet, wer zulässt, dass Juden und Jüdinnen davon ausgeschlossen werden, wer Antisemitismus feiert, verharmlost oder ausübt, der gefährdet unsere Demokratie", so Aras.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte, den Beauftragten des Landes gegen Antisemitismus, Michael Blume, besser ausstatten zu wollen. "Wir wollen dafür sorgen, dass der Antisemitismusbeauftragte seine Arbeit in Zukunft noch weiter intensivieren kann", sagte Kretschmann. "Da wollen und werden wir nochmal nachlegen", kündigte Kretschmann an, ohne genaue Details zu nennen. Zuvor hatten auch die Chefs der grün-schwarzen Regierungsfraktionen, Andreas Schwarz und Manuel Hagel, eine Aufwertung von Blumes Position gefordert.

Kretschmann lobte die Arbeit Blumes, der seit 2018 im Amt ist - laut Kretschmann damals der erste Beauftragte gegen Antisemitismus in Deutschland. "Davon profitieren wir sehr. Gerade jetzt, in dieser dramatischen Lage", sagte der Ministerpräsident.

Baden-Württemberg reagiert auf Angriff der Hamas

Die baden-württembergische Landesregierung hat laut Kretschmann nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit einem Bündel von Maßnahmen reagiert, um die Sicherheit von Juden im Südwesten zu erhöhen und Antisemitismus stärker zu bekämpfen. So gebe es inzwischen mehr Polizei an Synagogen, Kitas und jüdischen Schulen sowie eine Dauerpräsenz von Sicherheitskräften bei Gottesdiensten und Versammlungen, sagte Kretschmann.

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Das Kultusministerium habe für Lehrerinnen und Lehrer Fortbildungen, Unterrichtsmaterialien und eine Online-Beratung angeboten, um Judenfeindlichkeit an Schulen zu begegnen, so Kretschmann. Es sei in Ordnung, in Deutschland für Palästinenserrechte einzutreten, betonte der Grünen-Politiker. Es sei aber nicht in Ordnung, zu Gewalt gegen Juden aufzurufen oder diese Gewalt zu feiern. Auch dürfe das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werden.

Kretschmann sieht "blanken Vernichtungswillen" und "fanatischen Hass"

Kretschmann berichtete von Begegnungen mit Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg, die einen Davidstern als Schmuck nicht mehr offen trügen, die Zeitung "Jüdische Allgemeine" nicht mehr in der Öffentlichkeit läsen und auch nicht mehr zu Demonstrationen gingen, weil sie Angst hätten, was ihnen in großen Menschenmengen passieren könne.

Die Relativierungen des "barbarischen Terrors" der Hamas mit Hinweis auf die Reaktion Israels mache ihn fassungslos, bekannte der Ministerpräsident. Die Terroristen hätten Frauen vergewaltigt, Babys vor ihren Eltern den Kopf abgeschlagen und anschließend Videos über ihre Taten ins Netz gestellt. "Das ist blanker Vernichtungswille. Das ist fanatischer Hass", sagte er.

Ein "Ja, aber" könne es angesichts dieser Barbareien nicht geben. Kretschmann warnte vor einem Mangel an Zivilcourage. Man dürfe in Alltagsgesprächen antisemitische Stereotype, Falschbehauptungen, Halbwahrheiten, Diskriminierungen und Anfeindungen nicht stehen lassen, sondern müsse diesen entgegentreten.

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Beauftragter gegen Antisemitismus stellte Tätigkeitsbericht im Landtag vor

Der Landtag debattierte am Donnerstag anlässlich des 85. Jahrestags der Pogromnacht von 1938 im Plenum über den Bericht des Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume. Neben Aras haben auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie die Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne), Manuel Hagel (CDU), Andreas Stoch (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP) und Anton Baron (AfD) gesprochen.

66 Verurteilungen wegen antisemitisch motivierter Straftaten gab es im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg - dreimal so viele wie noch 2019. Dies geht aus dem zweiten Tätigkeitsbericht von Michael Blume hervor.

Wie sich das Sicherheitsgefühl von Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel verändert hat, schildert dieser Beitrag:

Bei einer Gedenkveranstaltung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg in der Synagoge in Stuttgart betonte Kretschmann, dass Judenhass mit aller Härte geahndet werden müsse. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, der Staat drücke an dieser Stelle ein Auge zu, so der Ministerpräsident.

Die Pogromnacht vor 85 Jahren markierte den Beginn der organisierten Judenverfolgung im Nationalsozialismus. Damals habe sich ein Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung von Juden vollzogen, sagte Kretschmann in seiner Rede. "Deshalb ist der Gedenktag auch eine Mahnung, wie kurz der Weg vom einen zum anderen ist. Und dass jeder in diesem Land Antisemitismus zu bekämpfen hat."

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