BW-Ministerpräsident Kretschmann zeigte sich entsetzt von Details aus dem Prozess gegen den Polizei-Inspekteur. In Karrierefragen spielten derart intime Dinge jedoch keine Rolle.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich zum Skandal um den ranghöchsten Polizisten des Landes geäußert - und dabei Innenminister Thomas Strobl (CDU) in Schutz genommen.
Der Polizei-Inspekteur Andreas R. muss sich wegen sexueller Nötigung vor dem Landgericht Stuttgart verantworten, weil er eine Beamtin bedrängt und seine berufliche Stellung ausgenutzt haben soll.
Kretschmann: "Sexualverhalten geht den Staat nichts an"
Die sexuellen Details und Vorwürfe aus dem Prozess gegen den Polizei-Inspekteur nannte Kretschmann "höchst unappetitlich". Bei Einstellungs- oder Beförderungsgesprächen würden die Bewerber allerdings nicht nach ihrem Sexualverhalten gefragt. "Das geht den Staat nichts an", so der Ministerpräsident, "Gott sei Dank."
Auf die Frage, wie sich der Fall auf die Arbeit der Regierung auswirke, antwortete Kretschmann: "Gar nicht." Vorwürfe gegen Innenminister Strobl, welcher die Karriere des zwischenzeitlich bei vollen Bezügen freigestellten Polizei-Inspekteurs gefördert haben soll, wies Kretschmann zurück. Was dem Inspekteur nun im Detail vorgeworfen werde, habe Strobl nicht einmal erahnen können.
Goll: "Kretschmann begreift es nicht"
In einer ersten Reaktion sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, Julia Goll: "Herr Kretschmann begreift offenbar den Vorwurf an Strobl nicht." Niemand habe von ihm erwartet, die intimen Vorlieben seiner Führungskräfte auszufragen. Im Gegenteil: Es gehe um die fachliche Eignung von Andreas R., die Strobl nicht richtig eruiert habe, so die Obfrau im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre. Sowohl bei der Beförderung zum Vizepräsidenten des LKA als auch bei der zum Inspekteur der Polizei sei dem Innenminister "der schöne Schein" wichtiger gewesen. "Dass Kretschmann keinen Grund sieht zu Aktivitäten, ist nicht zum Guten für die Polizei und das Land", so die FDP-Politikerin.
Vorwürfe gegen CDU-Abgeordneten
Die neue Entwicklung im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre wollte Kretschmann nicht kommentieren. Der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Gehring soll versucht haben, einen kritischen Zeugen, nämlich den ehemaligen LKA-Chef Ralf Michelfelder, zu diskreditieren. Michelfelder hatte bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am Montag die fachliche Eignung des nun angeklagten Polizei-Inspekteurs als Polizist mit scharfen Worten in Frage gestellt.
Am Dienstag, also nur einen Tag nach den Vorwürfen gegen ihn, hat die CDU-Fraktion Gehring zum neuen Arbeitskreisvorsitzenden Inneres befördert, wie ein Sprecher der Fraktion bestätigte. Somit tritt er die Nachfolge von Thomas Blenke an, der Staatssekretär im Innenministerium wird. Gehring ist Mitglied des U-Ausschusses - und muss selbst in der nächsten Sitzung als Zeuge aussagen. Ob er damit Mitglied des Ausschusses bleiben kann, ist fraglich. Im entsprechenden Gesetz heißt es: "Ein Mitglied des Landtags, das an den zu untersuchenden Sachverhalten persönlich und unmittelbar beteiligt ist, darf dem Untersuchungsausschuss nicht angehören."