Nach Kritik des Landeselternbeirats

Kretschmann gegen mehr Mitbestimmung der Eltern in Schulpolitik

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Wie viel sollen Eltern bei Schulangelegenheiten mitreden dürfen? Der Landeselternbeirat hatte zuletzt mehr Mitbestimmung gefordert. Ministerpräsident Kretschmann sieht ein anderes Problem.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält mehr Mitbestimmung der Elternschaft in der Schulpolitik für nicht notwendig. "Wir brauchen keine stärkere formalisierte Mitbestimmung der Elternverbände über das hinaus, was wir schon haben", sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Zudem ist die Rolle der Eltern schon verfassungsrechtlich eine sehr starke." Entscheidend sei vielmehr, dass Elternhaus und Lehrerschaft am gleichen Strang zögen. "Es mangelt teilweise an Kooperation", kritisierte Kretschmann.

Kretschmann: "Erreichen viele bildungsferne Eltern gar nicht"

Das Hauptproblem für den Regierungschef, der selbst einst Lehrer war: "Wir erreichen viele bildungsferne Eltern gar nicht." In Deutschland hänge der Bildungserfolg zu sehr vom Elternhaus ab.

"Wir müssen uns darüber den Kopf zerbrechen, wie wir besser an Eltern aus bildungsfernen Schichten rankommen - das ist unser Hauptproblem."

Manchen Kindern werde zuhause vorgelesen, anderen nicht - das sei in der Schule kaum einholbar, sagte Kretschmann. Die Kooperation von Eltern und Schule sei enorm wichtig.

Der Ministerpräsident sprach in dem Zusammenhang auch von hohen verfassungsrechtlichen Schranken. Im Grundgesetz stehe, die Erziehung sei das natürliche Recht der Eltern. Die Landesverfassung hingegen definiere die Erziehung als gemeinsame Aufgabe unter anderem von Eltern und Staat.

Es sei sicherlich nicht sinnvoll, dass die Eltern, die sowieso schon überengagiert seien und ihre Kinder bis ins Klassenzimmer begleiteten, dann noch präsenter seien - und die anderen, die eigentlich kommen sollten, nach wie vor nicht zum Elternabend kämen. Damit sei nichts erreicht, so Kretschmann.

Landeselternbeirat: Kein Einfluss auf Bildungssystem

Der Landeselternbeirat (LEB) hatte zuvor moniert, dass Eltern in der Schulpolitik zu wenig gehört würden und Lehrerverbände die dominanten Meinungsmacher seien. "Als Eltern wird man nicht in dem Maße gehört, wie es für einen Kunden angemessen wäre", hatte der LEB-Vorsitzende Michael Mittelstaedt der "Schwäbischen Zeitung" gesagt. "Auch jemand, der wenig Geld hat, vielleicht kein Deutsch kann oder einfach unsympathisch ist, muss sein Kind in der Schule abgeben können und sicher sein, dass es genauso gefördert wird wie das Akademikerkind."

Eine Mutter und ihr Kind gehen in der Nähe einer Schule neben einem Auto, aus dem sie eben ausgestiegen waren (Symbolbild).
Kretschmann weist die Kritik des Landeselternbeirats zurück. Es sei nicht sinnvoll, dass überengagierte Eltern noch präsenter seien (Symbolbild).

Die Uraufgabe eines Landeselternbeirats sollte beratend sein, sagte Mittelstaedt. "Frühzeitig eingebunden werden wir allerdings nie. Wir haben keinen wirklichen Einfluss darauf, was im Bildungssystem passiert." Es werde viel zu wenig auf die Kinder geschaut.

Landeselternbeirat fordert "Veto-Recht" für Eltern

Der "Südwest Presse" sagte der LEB-Vorsitzende zudem kurz vor Weihnachten, dass Eltern in grundlegenden Fragen der Bildungspolitik ein "Veto-Recht" haben sollten. Wenn ein Elternbeirat eine Initiative einer Schulleitung oder der LEB eine Initiative des Kultusministeriums ablehne, passiere nichts, kritisierte er. Der Landeselternbeirat sei wie der Landesschul- und der Landesschülerbeirat auch nur ein "schmückendes Beiwerk, das in vollkommen unerheblichen Fragen mitwirken darf, indem es angehört wird". Gemessen am Ausmaß der Probleme erreiche der LEB seit Jahrzehnten viel zu wenig. "In den vergangenen zehn Jahren ist nichts über die Tische der Eltern gelaufen, das handfeste Relevanz für eine Verbesserung der Qualität im Bildungssystem gehabt hätte."

Die FDP warf Kretschmann vor, in der Bildungspolitik über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden. "Um zu einer fundierten Lagebeurteilung zu kommen, ist es entscheidend, die Expertise von Landeselternbeirat, Landesschülerbeirat und Lehrerverbänden einzuholen - und diese ernst zu nehmen", sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Timm Kern. Die AfD-Fraktion stimmte den LEB-Forderungen zu. Der bildungspolitische Sprecher Rainer Balzer sagte: "Die Eltern brauchen ein klares Mittel zur Mitsprache, am besten in Form eines Veto-Rechts."

Unterschiedliche Reaktionen von Bildungsverbänden

Die Reaktionen der Bildungsverbände fallen vielschichtiger aus. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ebenso wie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) halten die bisherigen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Eltern im Schulsystem für ausreichend - und teilen Kretschmanns Analyse, dass vielmehr die mangelnde Einbeziehung bildungsferner Eltern das Problem sei. Elternabende würden im Schnitt nur von etwa der Hälfte der Eltern besucht, kritisierte VBE-Landeschef Gerhard Brand. An die Eltern, an die man rankommen wolle, komme man auch durch mehr Mitbestimmungsrechte nicht ran.

"In der Praxis zeigt sich, dass Eltern die Mitsprache, die sie schon haben, nicht in vollem Umfang wahrnehmen."

Die Bildungsgewerkschaft GEW verweist in dem Zusammenhang auf den Personalmangel an Schulen. Früher hätten Grundschullehrkräfte viel mehr Hausbesuche bei Eltern gemacht, weil mehr Ressourcen zur Verfügung gestanden hätten und die Klassen kleiner gewesen seien, sagte GEW-Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Eltern würden grundsätzlich aber im System Gehör finden. Die drei Millionen Eltern der 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler im Land seien eine politisch bedeutendere Gruppe bei Landtags- und Bundestagswahlen als 130.000 Lehrkräfte.

Auch der Philologenverband beklagt eine mangelnde Kooperation zwischen Eltern und Schule. Verbandschef Ralf Scholl kritisiert aber, dass Kretschmann keine Alternative aufzeige. Auch Scholl plädiert für häufigere Besuche von Lehrkräften in den Elternhäusern der Schülerinnen und Schüler.

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SWR

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