20 Listen treten bei der Kommunalwahl in Freiburg an. So viele wie nirgendwo sonst in Baden-Württemberg. Wie kommt's? Wir sprechen mit Außenseitern und etablierten Kandidaten.
"Wir haben die neuen Stimmzettel erstmals in DIN-A4 drucken müssen", sagt Michael Haußmann, Leiter des Freiburger Wahlamtes. Denn erstmals bewerben sich gleichzeitig zwanzig Listen mit über 800 Bewerbern um die 48 Plätze im Freiburger Gemeinderat. Rekordverdächtig! Nirgends sonst in Baden-Württemberg gibt es so viel Auswahl wie in Freiburg. Und dafür brauchte es mehr Platz auf dem Stimmzettel.
"Vielfalt und Zersplitterung"
Auch in anderen Städten werden es immer mehr Listen. Auf dem Wahlzettel zum Stuttgarter Gemeinderat finden sich 18 Listen, in Pforzheim 17 und in Karlsruhe 15. In den südbadischen Städten Lörrach (9) oder Offenburg (8) ist die Auswahl etwas geringer. Freiburg zeichne sich als Universitätsstadt durch Vielfalt und unterschiedliche Interessen aus. "Das zeigt sich auch auf der Wahl-Liste", sagt Michael Wehner von der Landeszentrale für Politische Bildung in Freiburg:
Wer tritt zur Wahl an? Exoten, Außenseiter und Etablierte
Felicia Fehlberg ist 23 Jahre alt. Sie tritt für eine Liste an, die bisher noch nicht im Freiburger Gemeinderat sitzt: VOLT. Mit der Liste wolle man die besten Ideen aus Europa nach Freiburg bringen. "Ich gehe von zwei bis drei Plätzen aus, die wir bekommen", sagt Fehlberg. Spricht man mit Gemeinderatsmitgliedern anderer Listen, wird VOLT der Sprung in den Gemeinderat durchaus zugetraut.
Der 69-jährige Berhard Schätzle sitzt seit 25 Jahren für die CDU im Gemeinderat. Damals kam er als Listenplatz 16 noch gerade so rein. Aktuell hat die CDU sechs Sitze und hofft auf mehr. "Mein stiller Wunsch wäre, dass wir zwei weitere Plätze erringen", sagt Schätzle. Das könnte durchaus klappen, hört man auf die politischen Mitbewerber dank des guten Bundestrends bei der CDU.
Das Problem mit immer mehr Listen
"So schön die vielen Plakate auch aussehen in ihrer vollen Pracht. Die Zersplitterung gibt mir das Gefühl der Weimarisierung", sagt Schätzle. Für Wähler sei bei den vielen Listen nicht mehr so leicht zu erkennen, wo diese in zentralen politischen Fragen stünden.
Junges Freiburg ist selbst eine kleine Liste, die schon seit vielen Jahren im Gemeinderat vertreten ist. Als Stadt mit vielen jungen Menschen seien auch junge Mitglieder im Gemeinderat extrem wichtig. Die Spitzenkandidatin Sophia Kilian sieht den Listen-Boom aber ebenfalls kritisch: "Schon nach der letzten Wahl war die Fraktionsbildung sehr schwierig". Dies werde nach dieser Wahl wohl noch komplexer.
Haben es kleine Listen leichter?
"Man muss es so annehmen", sagt Sascha Fiek von der FDP. Es gehöre eben zur Demokratie. "Trotzdem wünschte ich mir manchmal, dass es weniger Listen im Gemeinderat wären. Dann wäre das Arbeiten effizienter", sagt Fiek. Parteien seien dazu geschaffen worden, um viele Themen unter einen Hut zu bringen. "Junges Freiburg, Urbanes Freiburg - es werden viele Ein-Themen-Parteien gewählt, die sich nach der Wahl zusammenschließen müssen", sagt Fiek.
"Es ist eben einfacher mit einer eigenen, kleinen Liste in den Gemeinderat zu kommen, als sich auf einer großen Liste durchzusetzen", sagt Gregory Mohlberg von der Linken. "Bei uns kriegt man, was man bestellt. Aber woher weiß ich bei der Jupi-Fraktion, wie diese sich zu Kita- oder Schwimmbadgebühren verhalte", sagt Mohlberg.
Nicht Mitglied der Partei und trotzdem auf der Wahl-Liste
Julia Söhne, die für die SPD im Gemeinderat sitzt, versucht auch Menschen für die SPD-Liste zu werben, die nicht Mitglied der Partei sind. So ist Listenplatz fünf zum Beispiel an Silvia Schumacher vergeben, die selbst - laut Söhne - nicht Mitglied der SPD ist. Söhne wirbt außerdem: "Zumindest eine Zwei-Prozent-Hürde fände ich gut". Denn auch Einzelinteressen könnten von größeren Parteien vertreten werden.
"Vielfalt ist doch schön", sagt Sophie Kessl. Sie sitzt für DIE PARTEI im Gemeinderat und hofft auf einen großen Wahlerfolg. Mit einem Augenzwinkern sagt die Vertreterin der Satirepartei:"Wir gehen fest davon aus, dass wir 46 Sitze holen". In Freiburg gebe es für Gemeinderäte im Vergleich zu anderen Kommunen gutes Geld. Vielleicht sei auch das ein Beweggrund für die vielen Listen.
Mit "Querdenker"-Inhalten auf der Wahlliste in Freiburg
Schaut man weit unten auf dem Wahlzettel, findet sich dort die APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands). Teil des APPD-Programms: Bächle sollen mit Bier geflutet werden und es brauche Stadionverbote für Polizisten.
Ganz unten findet man auf dem Wahlzettel die SPITZ-Liste, die auf ihrer Website von Corona-Maßnahmen als "Verbrechen gegen die Menschheit" spricht und schreibt, Maskenpflicht sei "nur zum Zwecke der Unterdrückung der Menschen".
20 Listen in Freiburg: Genug Auswahl für Wähler und Wählerinnen sollte es also geben.
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