Die Träger von Kitas in BW können künftig selbst entscheiden, ob sie die Zahl der Erzieher pro Gruppe reduzieren. Der Berufsverband für Kita-Fachkräfte kritisiert das.
Der Berufsverband für Kita-Fachkräfte kritisiert die Entscheidung des Landtags in Baden-Württemberg, die Personalstandards für Kitas zu lockern. Die Zustände in den Einrichtungen seien verheerend und der sogenannten Erprobungsparagraph sorge nur für zusätzliche Verunsicherung. Die Verbandsvorsitzende Anja Braekow kritisierte, es gehe nur noch um Betreuung und nicht mehr um frühkindliche Bildung.
Künftig dürfen die Kita-Träger selbst darüber entscheiden, ob zeitweise weniger Erzieherinnen und Erzieher in einzelnen Gruppen eingesetzt werden. Die Landesregierung will durch die Gesetzesreform mehr Kita-Plätze und mehr Planbarkeit für Eltern erreichen. Auch die FDP stimmte für das Gesetz, SPD und AfD waren dagegen.
Mehr Entscheidungsfreiheit in Kitas: Wirksamkeit wird geprüft
Die Reform soll aus Sicht der Landesregierung indes kein Freifahrtschein für Kita-Träger sein, am Personal zu sparen. So muss das jeweilige Konzept zunächst mit den Betroffenen vor Ort abgestimmt werden. Das Landesjugendamt muss den Antrag dann prüfen. Nach einer Probephase muss außerdem die Auswirkung der Maßnahme auf die Qualität der Betreuung in den einzelnen Gruppen überprüft werden.
Kitas in BW laut Landesregierung mit "bestem Betreuungsschlüssel"
Nach Angaben der Landesregierung betreut eine Erzieherin oder ein Erzieher im Durchschnitt knapp drei Kinder in einer Kita in Baden-Württemberg. Die Kindertagesstätten im Land haben demnach bundesweit den besten Betreuungsschlüssel. Im Bundesschnitt kommen laut Landesregierung 4,1 Kinder unter drei Jahren auf eine Fachkraft.
Laut Braekow sei das pure Augenwischerei. "Denn was die Zahlen nicht zeigen, sind Krankheitsausfälle, Urlaubsabwesenheiten, kurzfristige Kündigungen, Fehltage wegen notwendiger Weiterbildungen, Zeiten, in denen pädagogische Fachkräfte kehren und putzen müssen, Dokumentationsarbeiten und vieles mehr", sagte sie.
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Land hofft auf Erhalt von Kita-Plätzen
Das Land erhofft sich von der neuen Regelung, dass damit Kita-Plätze erhalten und neue geschaffen werden. Außerdem könnten Kitas damit ausreichende Betreuungszeiten anbieten. Volker Schebesta (CDU), Staatssekretär im Kultusministerium teilte nach der Entscheidung am Mittwoch mit, die Regelung diene dazu, die Balance zwischen dem Bildungsanspruch der Kinder, dem Bedarf der Eltern auf Betreuungsplätze und der Belastungssituation der Erzieherinnen und Erzieher zu halten.
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Kritik von SPD und AfD
Die SPD äußerte scharfe Kritik. Der SPD-Abgeordnete Daniel Born sprach von "Qualitäts-Dumping". Die Reform sei ein großer Fehler, der auf dem Rücken der Kinder begangen werde.
Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rainer Balzer, warf der Landesregierung vor, den Betreuungsschlüssel aufzuweichen. Erzieher müssten stattdessen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, um mehr Zeit für die Kinder zu haben.
Regelung laut FDP kein "Heiliger Gral zur Lösung" aller Probleme
Die FDP begrüßte die Neuerung, forderte aber gleichzeitig weitere Maßnahmen. Die nun beschlossene Reform sei "nicht der Heilige Gral zur Lösung aller Probleme im frühkindlichen Bereich", sagte der FDP-Abgeordnete Dennis Birnstock.
Die Bertelsmann-Stiftung hatte am Dienstag eine Studie veröffentlicht, wonach in Baden-Württemberg rund 60.000 Kitaplätze fehlen, um den Bedarf der Eltern abzudecken.