Die Stadt Karlsruhe muss sparen. Sie spart, indem sie städtische Räume meistens von privaten Firmen reinigen lässt. Reinigungskräfte klagen über Druck. Beschwerden über Schmutz nehmen zu.
In Karlsruhe herrscht Sparzwang. 180 Millionen Euro müssen im Doppelhaushalt 2024/25 eingespart werden. Ein großer Kostenfaktor ist die Reinigung städtischer Räume, Büros, Sporthallen, Schulen oder Kitas. Jahrelang wurden die Aufträge immer häufiger an private Reinigungsfirmen vergeben. Heute werden städtische Räume zu von 26 Prozent eigenen und zu 74 Prozent fremden Kräften gereinigt. Die Klagen werden immer lauter.
Immer mehr Beschwerden über Schmutz und schlechte Bezahlung
Eltern beschweren sich über Schmutz in Klassenzimmern oder Kitas. Städtische Beschäftigte beklagen kaum geputzte Büros. Und Reinigungskräfte, die für private Firmen im Auftrag der Stadt arbeiten, sprechen von extremen Druck und miserabler Bezahlung.
Am Dienstag diskutiert der Karlsruher Gemeinderat über die Reinigung städtischer Räumlichkeiten und darüber, ob die Stadt künftig wieder mehr eigene Reinigungskräfte einstellen soll. Ein Verhältnis von 50 Prozent eigenen und 50 Prozent fremden Kräften ist angedacht.
Eine erfahrene Reinigungskraft, die anonym bleiben will, putzt seit vielen Jahren für private Firmen im Auftrag der Stadt Karlsruhe städtische Räume. Sie hat über ihre Arbeitsbedingungen mit dem SWR Studio Karlsruhe gesprochen.
Die Reinigungskraft aus Karlsruhe erzählt:
SWR Studio Karlsruhe: Sie sprechen von Arbeitsüberlastung. Was ist das Schlimmste für Sie in Ihrer Tätigkeit?
Anonyme Reinigungskraft: Das ist der Druck. Man ist eigentlich nur am Rennen. Es gibt überhaupt keine Zeit, sich mit irgendjemandem mal wenigstens kurz zu unterhalten. Und natürlich macht das einen auf die Dauer total kaputt. Mir tut manchmal alles weh. Danach fragt niemand.
SWR Studio Karlsruhe: Wie entsteht dieser Druck?
Anonyme Reinigungskraft: Es wird zum Beispiel die Zeit verändert, die man bekommt, um eine bestimmte Fläche zu reinigen. Man bekommt einen Plan, einen sogenannten Revierplan und die Vorgabe, die drinsteht, muss einfach umgesetzt werden. In einem Fall hatte ich drei Stunden und 15 Minuten Zeit für eine Fläche. Von einem Tag auf den anderen hatte ich plötzlich nur noch zwei Stunden und 45 Minuten Zeit für dieselbe Fläche.
SWR Studio Karlsruhe: Ihr Ansprechpartner vor Ort ist der sogenannte Objektbetreuer. Was tut der?
Anonyme Reinigungskraft: Es gibt den Objektbetreuer, der ein Mal in der Woche zu uns kommt. Er schaut sich an, welche Beschwerden es gibt und er bringt Material mit. Und das war's dann eigentlich schon.
SWR Studio Karlsruhe: Kümmert sich der Objektbetreuer um Ihre Probleme und um den Druck, den Sie haben?
Anonyme Reinigungskraft: Nein, danach wird überhaupt gar nicht gefragt. Da gibt es überhaupt keine Gespräche. Manchmal bekommt man eine Nachricht über WhatsApp mit der Frage, was gerade anliegt. Und das war's dann.
SWR Studio Karlsruhe: Warum bleiben Sie trotzdem?
Anonyme Reinigungskraft: Weil ich anscheinend eine soziale Ader habe. Bei mir in der Firma arbeiten viele Osteuropäerinnen, die sich noch nicht mal mit Verträgen auskennen, die gar nicht wissen, was sie unterschreiben. Die haben es natürlich gerne, dass ich bleibe. Ich habe schon öfter gesagt, dass ich gehe. Viele Angestellte, mit denen ich mittlerweile auch per Du bin, möchten, dass ich bleibe. Sie haben Angst davor, was käme, wenn ich nicht mehr da wäre.
SWR Studio Karlsruhe: Diese Kolleginnen aus Osteuropa, werden die nach Tarif bezahlt?
Anonyme Reinigungskraft: Nein, oft nicht. Sie kommen dann oft zu mir mit der Bitte, ob ich ihnen helfen kann. Selbst wenn sie krank sind, wird das häufig nicht bezahlt. Und die wissen gar nicht, dass ihnen Lohnfortzahlung zusteht.
SWR Studio Karlsruhe: Sie haben die Zahlen gesehen. Wie wird bezahlt?
Anonyme Reinigungskraft: Es wird unter Tarif bezahlt (Anmerkung der Redaktion: der Tariflohn für die Branche liegt bei 13 Euro). Viele bekommen nur zehn Euro (Anmerkung der Redaktion: der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn beträgt 12 Euro). Und wie gesagt, sie wissen noch nicht einmal, dass sie unterbezahlt sind, die wissen gar nicht, dass es einen Tariflohn gibt.
SWR Studio Karlsruhe: Was würden Sie sich grundsätzlich wünschen, für sich und Ihre Kolleginnen, um aus dieser Situation herauszukommen? Oder möchten Sie, dass es so weitergeht?
Anonyme Reinigungskraft: Nein. Natürlich möchte ich nicht, dass es so weitergeht. Manchmal würde ich mir wünschen, es würden von der Stadt nicht einfach nur so Verträge abgeschlossen mit der Angabe von Quadratmeterzahlen. Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen die Situation auch vor Ort anschauen, nicht nur einfach die Quadratmeter und die Rechnung.
SWR Studio Karlsruhe: Das heißt, die Stadt trägt Ihrer Meinung nach auch die Verantwortung?
Anonyme Reinigungskraft: Natürlich trägt die Stadt die Verantwortung. Und ich finde es auch nicht gut, dass sich jede Firma in Deutschland um die Aufträge in Karlsruhe bewerben kann. Eigentlich wird ja nur der Günstigste genommen. Das kann es einfach nicht sein!
ver.di: Kostendruck sorgt für prekäre Verhältnisse
Nach ver.di-Angaben beträgt die Ersparnis für die Stadt durch die Fremdvergabe der Reinigungsleistungen knapp ein Drittel. Der Kostendruck sorge auf der einen Seite für prekäre Zustände und auch für Rechtsverstöße, so Thorsten Dossow, Geschäftsführer von ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald, in Karlsruhe.
Nach Gesprächen mit den Fraktionen des Gemeinderats bestehe mittlerweile eine gewisse Offenheit, künftig wieder mehr städtische Reinigungskräfte einzustellen, um die Situation zu entspannen, so ver.di.
Stadt Karlsruhe will nach SWR-Berichterstattung Vorwürfe prüfen
Die Stadt Karlsruhe hat am Dienstag eine Prüfung der von einer privaten Reinigungskraft im SWR-Interview erhobenen Vorwürfe angekündigt. Die Stadt nehme den Hinweis auf untertarifliche Bezahlung bzw. auf Bezahlung unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn sehr ernst und werde dem Vorwurf unmittelbar nachgehen. Sollte sich der Vorwurf gegen den Drittanbieter bestätigen, werde der inakzeptable Missstand abgestellt, heißt es in der Mitteilung der Stadtverwaltung weiter.