Der neue Gemeinderat in Pforzheim ist so zersplittert wie nie. Politische Mehrheiten zu finden, wird schwierig. Monika Descharmes (FDP) berichtet von großen Veränderungen in der Kommunalpolitik in den letzten Jahren.
Am Dienstag tritt der neu gewählte Gemeinderat in Pforzheim das erste Mal zusammen - mit der AfD als stärkste Kraft und gleichzeitig so zersplittert wie nie. Die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gehören 17 verschiedenen Listen an.
Monika Descharmes von der FDP ist, mit Unterbrechung, seit 2004 Mitglied im Pforzheimer Gemeinderat. Im Interview mit SWR-Reporterin Annika Jost gibt sie Einblicke, wie sich die Arbeit verändert hat und blickt zurück auf den Glamour vergangener Veranstaltungen:
"Riesenherausforderung" im neuen Gemeinderat Pforzheim
SWR Aktuell: Frau Descharmes, im neuen Pforzheimer Gemeinderat werden 17 Listen vertreten sein. Als Sie das erste Mal im Gemeinderat saßen, waren es nur sieben. Wie ist Ihr Gefühl, lässt sich mit so vielen unterschiedlichen Interessen überhaupt noch eine Mehrheit finden?
Monika Descharmes: Es wird zusehends schwerer. Das wird natürlich auch für den Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) eine Riesenherausforderung, weil er ja der ist, der Themen durchbringen will. (...) Es wird hoch spannend. Es haben sich natürlich auch schon einige Koalitionen gefunden, weil die Einzelkämpfer natürlich auch wissen und sehen, dass sie es allein sehr schwer haben werden. Also die Fraktionsstärke sollte da sein, weil du dann ja überhaupt erst Anträge stellen kannst.
Wir müssen es unbedingt hinkriegen, dass wir miteinander im Gespräch bleiben, dass sich die Fronten da nicht verhärten. Und wir dürfen eins nicht aus dem Blick verlieren: Es geht nicht um uns alle, die wir da drin sitzen. Sondern es geht um die Stadt.
Gemeinderat so zersplittert wie noch nie AfD siegt erstmals bei Kommunalwahlen in Pforzheim
In Pforzheim stellt die AfD künftig die stärkste Fraktion mit 22 Prozent. Dazu ist der Gemeinderat mit 17 Listen so zersplittert wie noch nie. Eine Stadt zwischen Freude und Bestürzung.
SWR Aktuell: Wie wichtig ist das persönliche Verhältnis mit Gemeinderätinnen und Gemeinderäten aus anderen Parteien?
Monika Descharmes: Im normalen Umgang ist ein gutes Verhältnis sicher schon wichtig. Aber auf der anderen Seite meine ich, dass es nicht schaden kann, wenn du in der politischen Arbeit jetzt nicht unbedingt "Everybody's Darling" bist. Aber ich werde nie bösartig sein oder Brücken abbrechen, dass da kein Gespräch mehr möglich ist.
"Früher war mehr Lametta"
SWR Aktuell: Und früher war das Verhältnis ein anderes?
Monika Descharmes: Also früher, da würde ich den Herrn Loriot zitieren, war mehr Lametta. Und mit Lametta meine ich zum Beispiel die Eröffnung der Schlössle-Galerie. Also große, tolle Events. Weil es ist immer schön, wenn du in deiner Stadt etwas besonders Schönes hast, und das in exponierter Position als Stadträtin. Ich war immer wahnsinnig stolz! (...)
Ich sage das vor allem, weil diese Dinge die Gelegenheit boten, dass du mit den Gemeinderatskollegen immer wieder an einem Tisch ins Gespräch gekommen bist, außerhalb des Ratssaals, in einer entspannteren privaten Atmosphäre. Und diese Dinge gibt es jetzt ganz ganz selten.
SWR Aktuell: Was glauben Sie, was sich am meisten verändert hat in den letzten Jahren?
Monika Descharmes: Also ich würde sagen, die Digitalisierung hinterlässt schon ihre Spuren. Ich habe das Gefühl, dass Digitalisierung zu Oberflächlichkeit verführt und Dinge nicht mehr sorgfältig gelesen werden. Früher wurde in Debatten in den Ausschüssen oft aus den Beschlussvorlagen zitiert. (...) Aber heute haben viele Kolleginnen und Kollegen keine Fragen mehr. Das kann ich nicht fassen!
Neue Gesichter im Gemeinderat Pforzheim
SWR Aktuell: Viele haben es das erste Mal in den Gemeinderat geschafft. Welche Tipps geben Sie den Neuen?
Monika Descharmes: Kurz und knapp: Ohne Fleiß kein Preis. Du musst dich anstrengen. Du musst die Dinge lesen. Du musst dir Informationen holen, auch vom politischen Mitbewerber. Man hat sich beworben für das höchste Ehrenamt, das die Stadt zu vergeben hat. Und ich beglückwünsche jeden, der die Chance hat, das zu machen. Aber es geht nicht ohne Arbeit.
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