Nach 14 Jahren wird der Milchautomat in Bretten bald nicht mehr betrieben. Der Grund: Er kann keine Kassenbelege drucken. Das ist nach einer EU-Richtlinie seit 2023 vorgeschrieben.
Viele Kunden sind enttäuscht und Familie Müller in Bretten (Kreis Karlsruhe) versteht die Welt nicht mehr: Ihr Milchautomat, der 14 Jahre lang gute Dienste geleistet hat und bei den Kunden in der Region sehr beliebt ist, wird zum Neujahrstag stillgelegt.
Keine Milch mehr vom Hof ohne Kassenbeleg
Im November hat der Betrieb von Sabine und Rudolf Müller Besuch von einem Vertreter des Eichamts Karlsruhe bekommen. Das Eichamt gehört zum Regierungspräsidium Tübingen. Die Behörde kümmert sich unter anderem darum, dass Anlagen von der Zapfsäule an der Tankstelle bis zum Milchautomaten auf dem Bauernhof richtig eingestellt sind.
Dabei wurde beanstandet, dass der Milchautomat von Familie Müller über keinen sogenannten Belegdrucker verfügt und "nicht den grundlegenden Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes entspricht" und deshalb nicht mehr weiterbetrieben werden dürfe, so die Begründung für das Verbot.
Milchautomaten in ganz BW werden geprüft
Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die seit diesem Jahr in Kraft getreten ist. "Damit wird sichergestellt, dass der Kunde die Menge erhält, für die er bezahlt", so die Tübinger Behörde. In diesem Zusammenhang "liegen uns auch Verbraucherbeschwerden in Bezug auf Minderabgaben vor."
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg rund 350 Höfe, die einen Milchautomaten betreiben. Sie alle werden vom Eichamt nach und nach überprüft. Die meisten Automaten seien mit einem Belegdrucker ausgestattet. Die, die keinen haben, müssen ebenfalls dicht machen.
Das Eichamt hat den Müllers noch eine letzte Frist bis zum 31. Januar 2024 gesetzt, um ihren Automaten nachzurüsten und mit einem Belegdrucker auszustatten. Doch das kommt für die Müllers nicht in Frage - zu teuer.
"Wir sind ein auslaufender Betrieb, in zwei, drei Jahren werden wir unsere 50 Milchkühe abgeben und den Betrieb an die Tochter übergeben", so Sabine Müller, "15.000 oder 20.000 Euro wollen wir jetzt nicht mehr in einen neuen Automaten investieren."
Unverständnis auf dem Hof in Bretten
Aus Sicht von Sabine Müller, die sich mit dem Milchautomaten ein "kleines Zubrot" verdient, ist das nicht gerechtfertigt, weil noch nie ein Kunde nach einem Beleg gefragt habe.
Dabei ist die Handhabung der Milchtankstelle denkbar einfach: Wer einen Euro einwirft, bekommt ein Liter Rohmilch raus und kann die Menge in selbst mitgebrachte Behälter oder Flaschen abfüllen. Für 50 Cent gibt es einen halben Liter.
Kassenzettel für den Mülleimer?
Viele Kunden aus der Region schätzen die Möglichkeit, rund um die Uhr frische Milch einkaufen zu können, die ihnen nicht nur gut schmeckt, sondern auch teilweise billiger ist als die Milch im Supermarkt. Der 23-jährige Nils Neumann aus Bretten holt seit seiner Kindheit regelmäßig Milch am Automat. Er versteht nicht, wozu es überhaupt einen Kassenzettel braucht.
"Wegen zwei Liter Milch einen Kassenzettel - den könnte man sofort in den Mülleimer fallen lassen. Der wird gedruckt und weggeschmissen. Dass das nicht berücksichtigt wird, ist für mich überhaupt nicht verständlich", so Neumann.
"Kühe sind nicht lila"
Rund 1.000 Liter Milch vermarktet Sabine Müller im Automaten-Verkauf direkt am Hof. Die Rohmilch stammt von ihren 50 Milchkühen. Der größte Teil geht an die Molkerei.
Besonders für viele Familien mit kleinen Kindern war die Milchtankstelle ein regelrechter Anziehungspunkt. "Die Leute haben ihre Milch geholt - und bei der Gelegenheit auch einen Blick in den Stall zu den Tieren werfen können", erzählt die Hofbesitzerin. "Das waren immer schöne Begegnungen. Und so lernte die Kinder gleich, wo die Milch her kommt und dass Kühe nicht lila sind, sondern schwarz-weiß und braun."
Hilferuf an das Ministerium für Landwirtschaft
Ihr Schwiegersohn Marc Berger will nicht tatenlos zusehen und hat sich in der Angelegenheit sogar an das baden-württembergische Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz gewandt. Eine Art letzter Hoffnungsschimmer für die Familie. "Herr Minister Hauk weiß von unserem Fall. Ob er allerdings helfen kann, das wissen wir nicht." Für ihn ist das Vorgehen der Behörde nicht nachvollziehbar.