Von 10.000 Minderjährigen in Karlsruhe sind 103 gefährdet. Bei sogenannten Kindeswohlgefährdungen belegt die Stadt damit den Spitzenplatz im Land. Dennoch sind die Verantwortlichen optimistisch.
In keinem anderen Stadt- oder Landkreis in Baden-Württemberg gibt es mehr Kindeswohlgefährdungen als in Karlsruhe. Das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamts hervor. Landesweit erreichen die Zahlen einen Höchststand. Dennoch ist man in Karlsruhe optimistisch.
Kindeswohl in Gefahr: Fünf Prozent mehr Meldungen
Die baden-württembergischen Jugendämter haben 2022 die bislang meisten Fälle von Kindeswohlgefährdungen bearbeitet. Die Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 17.583 Fälle. Das teilte das Statistische Landesamt am Donnerstag mit.
Unter den Stadt- und Landkreisen liegt der Stadtkreis Karlsruhe mit 103 Gefährdungen pro 10.000 Minderjährige an der Spitze, gefolgt von Mannheim mit 84 und Pforzheim mit 77. Die wenigsten Gefährdungen gab es dem Landesamt zufolge im Landkreis Göppingen mit vier Fällen pro 10.000 Personen.
Mehr Fälle und weniger Personal Jugendämter in der Vorder- und Südpfalz überlastet
Mitarbeiter der Jugendämter in der Vorder- und Südpfalz fühlen sich zunehmend überlastet. Die Gründe: Fehlendes Personal und immer mehr Arbeit.
Jugendbehörde: Traurige Zahlen stehen auch für gute Arbeit
Damit ist die Stadt Karlsruhe bei der Zahl der Fälle, in denen Kinder bedroht oder gefährdet sind, auf einem traurigen Spitzenplatz. Der Fachbereichsleiter Jugendhilfe und Soziale Dienste in der Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe, Jonas Nees, sieht im Gespräch mit dem SWR Studio Karlsruhe dennoch auch Gutes in den Zahlen.
SWR Aktuell: Karlsruhe hat laut Landesamt für Statistik die höchste Zahl an Kindeswohlgefährdungen. Stimmt das denn so?
Jonas Nees: Die Statistik legt das natürlich zunächst einmal nah. Aber wir müssen differenzieren, denn statistisch erfasst werden immer alle Fälle, die auch tatsächlich erkannt werden. Und so spricht ein hoher Wert der Kindeswohlgefährdung nicht ausschließlich für das Gefährdungspotenzial von Kindern, aber vor allem für die Sensitivität der sozialen Infrastruktur.
SWR Aktuell: Das heißt, weil Sie genau hinschauen, sehen Sie mehr Fälle?
Jonas Nees: Richtig! Weil wir hier so gut hinschauen, sehen wir viele Fälle. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass viele größere Städte Spitzenreiter dieser Statistik sind und Landkreise weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen rangieren. Was zunächst einmal gut aussieht, hat viel damit zu tun, wie engmaschig das Hilfenetz gespannt ist. Und in Städten gelingt dies eben leichter als in Flächenlandkreisen.
SWR Aktuell: Sie verweisen also auf eine insgesamt gute Arbeit der Jugendbehörde. Was machen Sie besonders gut?
Jonas Nees: Wir haben in den vergangenen zehn Jahren unsere Präventionsarbeit sukzessive ausgebaut. Das sind vor allem die Bereiche der frühen Hilfe, also manchmal schon nach der Geburt, aber auch der Kindertagesbetreuung und der Schulsozialarbeit. Durch die längere Verweilen von Kindern und Jugendlichen in Institutionen bekommen wir natürlich viel mehr mit.
Wir stellen aber auch eine höhere gesellschaftliche Sensitivität gerade während der Pandemie fest, sodass uns immer mehr Meldungen aus einem Verwandtenkreis oder aus einem Nachbarschaftsnetz erreichen, wo sich Menschen Sorgen machen.
SWR Aktuell: Gibt es denn auch noch Bereiche, in denen Sie sagen, da könnten Sie nachbessern?
Jonas Nees: Wir beobachten die gesellschaftliche Entwicklung natürlich sehr genau und stellen fest, dass die Pandemie große Folgen bei den Kindern und Jugendlichen hinterlassen hat. Gerade hier sind die psychischen Belastungen sehr stark angestiegen. Gleichzeitig befindet sich die Kinder- und Jugendhilfe in der Situation des Fachkräftemangels, sodass wir genau überlegen müssen, wo wir unsere begrenzten Ressourcen einsetzen.
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