Die Pleite von Klingel ist eine große Herausforderung für den Arbeitsmarkt in Pforzheim. Im Interview erklärt Martina Lehmann, Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, wie es für die Beschäftigten weitergeht.
Die aktuelle Arbeitslosenquote der Stadt Pforzheim liegt bei 6,5 Prozent. Das ist etwas mehr als im Juli. Viele Jahre war Pforzheim Schlusslicht im Land. Zuletzt holte die Stadt aber auf und konnte den letzten Platz abgeben. Doch nun droht ein Rückschlag. Durch die Pleite des Versandhauses Klingel, dem drittgrößten Arbeitgeber in der Stadt, verlieren rund 1.300 Menschen ihren Job.
SWR-Reporter Johannes Stier hat mit Martina Lehmann, Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, über die aktuelle Situation auf dem Pforzheimer Arbeitsmarkt gesprochen.
Hier gibt es das Interview zum Nachhören:
SWR Aktuell: Frau Lehmann - 1.300 Menschen auf einen Schlag ohne Arbeit - haben Sie Ähnliches schon einmal erlebt?
Martina Lehmann: Nein, das habe ich in meiner gesamten Laufbahn nicht erlebt. Deswegen haben wir auch sofort eine Taskforce eingerichtet, um den Betroffenen, für die das eine riesige Katastrophe darstellt, schnell unbürokratisch zu helfen.
SWR Aktuell: Sie hatten schon am Freitag von den Plänen, Klingel dicht zu machen, erfahren. Wie haben Sie dann reagiert? Und was ist seither passiert?
Lehmann: Mir war es wirklich flau im Magen, weil ich sofort an das gedacht habe, was jetzt mit den Beschäftigten passieren wird. Die ja größtenteils 20 Jahre und länger in diesem Betrieb gearbeitet haben und damit ja nicht nur ihre Existenzgrundlage verlieren, sondern auch einen ganz wichtigen Teil ihres Lebens. Das muss man einfach sehen.
Das einzige, was für die Beschäftigten jetzt wichtig ist, ist schnelle, sehr konkrete Hilfe. Und deswegen habe ich das Wochenende genutzt, um eine Taskforce aufzustellen, hier in der Agentur für Arbeit. Und mit der der Spitze dieser Taskforce bin ich am Montag am Spätnachmittag gleich raus zu Klingel, konnte mit der Betriebsratsvorsitzenden und dem Personalleiter ein gutes Gespräch führen. Und dort haben wir ganz konkrete Schritte vereinbart, die gestern auch schon im Rahmen von drei Informationsveranstaltungen an fast tausend Beschäftigte, die teilgenommen haben, weitergegeben werden konnten.
Und das ist einfach für Betroffenen wichtig, dass sie wissen, sie bekommen Hilfe. Wir werden die Leistung Arbeitslosengeld somit für die Beschäftigten pünktlich und in einem guten Prozess auszahlen können. Aber genauso wichtig ist es mir, dass wir den Betroffenen dann eben auch so schnell wie möglich eine neue berufliche Perspektive eröffnen können.
SWR Aktuell: Da würde ich gerne einhaken. Wie stehen die Chancen ganz konkret? Es sind immerhin 1.300 betroffene Klingelmitarbeiter. Wie sehen Sie die Chancen, dass die schnell wieder einen Job finden?
Lehmann: Wir haben in der Agentur für Arbeit von den Betrieben sehr viele offene Stellen gemeldet. Bei uns haben sich schon 20, 30 Betriebe gemeldet, zusätzlich, die gesagt haben: Wir stehen bereit. Wir sind interessiert an den Klingelbeschäftigten, die freigesetzt werden.
Insofern haben wir vor Ort Vermittlungsbüros geplant. Die werden wir Mitte September eröffnen, damit ganz schnell die Betroffenen in Kontakt treten können mit meinen Vermittlungs- und Beratungsfachkräften. Und dann natürlich auch mit den Betrieben. Ich denke, wir sind gut aufgestellt. Wir können viel tun, aber es wird sicher nicht so sein, dass wir innerhalb von zwei, drei Monaten alle 1.336 Betroffenen vermittelt haben.
SWR Aktuell: Wie wird sich das Klingel-Aus mittel- bis langfristig auf die Arbeitslosenquote in der Region Pforzheim auswirken? Fürchten Sie, dass Pforzheim erneut Schlusslicht im Land wird?
Lehmann: Mit der Frage beschäftige ich mich im Moment nicht, sondern wirklich ausschließlich damit, wie wir jetzt die Beschäftigten in den nächsten Wochen so begleiten können, dass sie eben möglichst schnell eine neue Arbeit finden.
Es ist schon davon auszugehen, dass sich das auch auf die Arbeitslosenquote auswirkt. Aber es geht im Moment wirklich nicht um Zahlen und um die Quote, sondern um 1.336 Menschen, die von jetzt auf nachher ihre Lebensgrundlage, ihren Job verlieren. Das ist das, was gerade das Thema ist. Da müssen wir einfach unsere Kräfte bündeln, damit da schnell geholfen wird.
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