Verspätete Flüge oder Flugausfälle beschäftigen bundesweit immer mehr die Amtsgerichte. Auch in Bühl häufen sich die Klagen von Passagieren des Flughafens Karlsruhe / Baden-Baden. Das liegt auch an Onlineportalen.
In Sitzungssaal 12 des Bühler Amtsgerichts ist Warten angesagt. Gerade hat Richter Sven Tews vorgetragen, worum es in der Verhandlung geht: Zwei Passagiere, die aus London zum Flughafen Karlsruhe / Baden-Baden (FKB) fliegen wollten, kamen erst über 45 Stunden später an ihrem Ziel an. Mithilfe eines Onlineportals für Fluggastrechte wollen sie eine Entschädigung von der Fluggesellschaft in Bühl einklagen.
Die Airline, Billigflieger Ryanair, beruft sich unter anderem auf "außergewöhnliche Umstände": Wegen starkem Schneefall sei der Flug gestrichen worden. Doch der Richter und die beiden anwesenden Anwältinnen warten vergebens. Der geladene Zeuge erscheint auch nach zehn Minuten nicht. Ein neuer Termin für die Verhandlung wird angesetzt.
SWR-Reporter Andreas Fauth über die vielen Fluggastklagen am Amtsgericht Bühl:
Klagen von Fluggästen in Bühl erreichen Höchstwert
In wenigen Wochen wird der Fall das Amtsgericht in Bühl also erneut beschäftigen. Wie viele weitere solcher Verfahren. Im ersten Halbjahr sind 470 Fluggastklagen bei dem kleinen Gericht eingegangen - und die Sommerferien mit viel Flugverkehr beginnen erst noch. Im vergangenen Jahr waren es sogar mehr als 1.359 neue Fluggastklagen - ein Höchstwert für das Amtsgericht in Bühl.
Kommt es bei einem Flug zu einer Verspätung von mehr als drei Stunden oder sogar einem Ausfall, können Passagiere nach EU-Recht einen Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro pro Person haben. Wenn sich eine Fluggesellschaft weigert zu zahlen, muss sie unter anderem nachweisen, dass außerordentliche Umstände vorlagen und dass sie alle "zumutbaren Maßnahmen" ergriffen hat, um die Beeinträchtigung für den Fluggast so gering wie möglich zu halten.
Viele Verfahren durch Flughafen FKB
Einigen sich beide Seiten nicht im Vorfeld, landet der Streit vor einem Amtsgericht. Laut Deutschem Richterbund stieg die Zahl der Klagen gegen Airlines 2023 bundesweit um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Bühl ist man durch die örtliche Nähe für den FKB zuständig und hat dadurch viel Arbeit. Die drei Zivilrichter seien überwiegend mit Fluggastklagen beschäftigt, sagt Richterin Johanna Reinhardt, die das Bühler Amtsgericht gerade in Vertretung leitet.
"Und der normale Geschäftsbetrieb läuft ja weiter", so Reinhardt. Verkehrsunfälle, Versicherungsfälle, Mietstreitigkeiten - alles, womit mit sich Amtsgerichte nun mal befassen. Nur durch den Einsatz der Kollegen sei es möglich, das zu stemmen und die Verfahrensdauer "sehr ordentlich" im Vergleich zu anderen Gerichten zu halten. Die meisten Fluggastklagen werden online oder schriftlich verhandelt, ab und zu kommt es auch zu Vor-Ort-Terminen.
Onlineportale erstreiten Entschädigung
Einen großen Anteil an der Masse von Fluggastklagen haben Onlineportale für Fluggastrechte wie Flighright oder EUflight. Diese prüfen für Passagiere mögliche Ansprüche auf Entschädigung und klagen gegebenenfalls für sie. Sie nehmen ihnen also Arbeit ab.
Für den Fluggast entstehen nur Kosten, wenn eine Entschädigung erreicht wird. Laut Flightright wird bei außergerichtlichen Einigungen eine Provision von "in der Regel" 20 bis 30 Prozent der Entschädigungssumme fällig. Die Provision bei Gerichtsverfahren richte sich nach Faktoren wie der Komplexität des Verfahrens.
Oliver Butler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht solche Onlineportale mit gemischten Gefühlen. Einerseits würden sie Verbrauchern helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Andererseits müssten die Passagiere vor allem, wenn es zu einem Verfahren vor Gericht kommt, bei Erfolg der Klage durchaus höhere Provisionen von bis zu 50 Prozent zahlen.
Butler rät Verbrauchern, erst mal selbst die Airline anzuschreiben. "Wenn ich dann kein Geld bekomme, kann ich mir noch mal überlegen, ob ich das Geld vielleicht über eine Rechtsschutzversicherung zurückholen kann", so der Experte.
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Amtsgerichte hoffen auf künstliche Intelligenz
Durch die Fluggastrechteportale kommt es auch in Bühl in den letzten Jahren - abgesehen von der Corona-Zeit - zu mehr Fluggastklagen. Demnächst bekomme man immerhin personelle Verstärkung, freut sich Richterin Johanna Reinhardt. Und außerdem ist sie gespannt, ob künftig auch künstliche Intelligenz Entlastung für die Gerichte in Massenverfahren bringen kann. In Frankfurt wird KI bereits testweise bei Fluggastverfahren eingesetzt. In Bühl ist diese technische Hilfe noch nicht absehbar.
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