Karlsruhe hat den Beschwerden von zwei Gefangenen stattgegeben: Sie würden für ihre Arbeit in Gefängniswerkstätten zu wenig Lohn bekommen. Das widerspreche dem Gedanken der Resozialisierung.
Ein Stundenlohn von nur 1,80 Euro – das müsste eigentlich alle empören. Aber Gefängnisinsassen haben keine Lobby. Das Thema ist für die Politik zu schmuddelig und unerfreulich. Sind sie nicht selbst schuld, die Menschen, die da im Gefängnis sitzen? Der Gedanke ist vermutlich weit verbreitet, dass sie es eben einfach nicht besser verdient haben.
Schon mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht von der Politik Besserung verlangt. Und auch heute haben Deutschlands oberste Richterinnen und Richter wieder dazu aufgefordert, dass bitte das Ziel der Resozialisierung mehr beachtet werden soll. Ein in sich stimmiges Konzept sollen die Bundesländer entwickeln und das ins Gesetz schreiben. Und noch eine Botschaft gibt das Gericht der Politik mit: Resozialisierung funktioniere nur, wenn die Arbeit angemessene Anerkennung findet.
Das Bundesverfassungsgericht bleibt in seiner Entscheidung blass
So weit so gut. Aber letztlich bleibt doch alles sehr vage. Gleichzeitig verweist das Gericht nämlich darauf, dass es sich nicht zu sehr einmischen will. Der Gesetzgeber habe da einen großen Handlungsspielraum. Das heißt, es darf also durchaus ein Teil des Lohns einbehalten werden, zum Beispiel für Unterkunft und Verpflegung, für die Gesundheitsversorgung oder für Telefonkosten. Selbst wenn im Gefängnis Mindestlohn gezahlt würde – angesichts all der Posten, die dann wieder abgezogen werden dürfen, kann da am Ende nur ein Stundenlohn herauskommen, der sich kaum von dem bisherigen unterscheidet.
Keine Pflicht zur Altersversorgung
Ein großer Missstand wird gar nicht vom Verfassungsgericht angepackt – dass für die Gefangenen keine Rentenbeiträge gezahlt werden, sie im Alter also, selbst nach verbüßter Strafe, oft komplett verarmt sind. Da heißt es im Urteil sehr kühl: Eine verfassungsrechtliche Plicht, für die Menschen einzuzahlen, gibt es nicht. Das ist ein seltsamer Widerspruch zum flammenden Appell in der Entscheidung, dass die Gefangenen zur eigenverantwortlichen Lebensführung befähigt werden sollen. Soll das etwa im Alter nicht gelten?
Letztlich müssen sich die Bundesländer nicht viel bewegen. Solange sie alles korrekt ins Gesetz schreiben und sich wissenschaftlich begleiten lassen, lässt ihnen das Gericht viel Freiheit.
Bis Mitte 2025 müssen die Gesetze überarbeitet sein – und dann wird sich vermutlich herausstellen, dass es im Gefängnis faktisch immer noch einen sehr mageren Stundenlohn gibt. Das ist nicht nur für die Insassen selbst ein Problem, weil es sie abwertet und Bereitschaft zur Veränderung und Tatkraft ausbremst. Es ist vor allem für die Opfer der kriminellen Taten ein Problem, weil sie nicht mit Wiedergutmachung rechnen können. Dafür wird auch der Verdienst in Zukunft nicht reichen. Ganz zu schweigen von den Familien der Straftäter. Sie werden faktisch mitbestraft, Frauen und Kinder werden meist weiterhin auf den Staat angewiesen sein.