Der Élysée-Vertrag ist die Grundlage für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Am Sonntag wird er 60 Jahre alt. Für viele Gemeinden am Rhein ist das Zusammenleben gelebter Alltag.
Die Straßen in Lauterbourg sind fast wie leer gefegt. Eine dünne weiße Schneeschicht bedeckt die Häuser in der 2.300 Einwohner-Gemeinde im Elsass. Auf dem zentralen Platz hängt eine französische Flagge schlaff an einem Mast. Es ist Mittwochmorgen, die Temperaturen liegen nur knapp über null Grad. Feierstimmung zu 60 Jahre deutsch-französischer Freundschaft sieht anders aus.
Deutsch-französische Freundschaft ist Alltag
Patrice Harster wundert das nicht. Er ist Geschäftsführer von Pamina in Lauterbourg. Die deutsch-französische Organisation hat ihren Sitz im ehemaligen Zollhaus direkt an der Grenze. Ihr Ziel ist es, Menschen aus Baden, dem Elsass und der Südpfalz besser miteinander zu vernetzen und ihnen zu helfen. Sei es im Tourismus, in der Arbeitswelt oder im Sport.
Harster und sein Team haben also täglich mit Grenzgängern aus beiden Ländern zu tun. Das Deutsch-Französische sei für die Leute hier quasi Alltag, sagt Harster. Bei vielen gebe es also gar keinen Bedarf, die Freundschaft extra zu feiern.
Ähnlich sieht das Elodie Raud. Sie wohnt im Elsass und zieht ihre Tochter in deutscher und französischer Sprache auf. Die deutsch-französische Freundschaft sei ihr wichtig, sagt sie. Trotzdem hat sie am Sonntag keine Zeit zu feiern.
Freundschaften entlang des Rheins
Viele Gemeinden am Oberrhein haben langjährige Freundschaften untereinander. Das gilt zum Beispiel auch für Drusenheim und Rheinmünster. Nur der Rhein trennt die beiden Gemeinden voneinander. Ein gemeinsames Fest zum 60-jährigen Jubiläum des Élysée-Vertrags wird es laut Rheinmünsters Bürgermeister Helmut Pautler am Sonntag trotzdem nicht geben. In Au am Rhein, Steinmauern, Hügelsheim, Iffezheim, Roeschwoog oder Seltz ist es ähnlich.
Drusenheim und Rheinmünster wollen ihre Partnerschaft aber dieses Jahr schon noch feiern. Zum ersten Mal nach der Corona-Pause soll es wieder ein gemeinsames Fährfest geben. Pautler verweist auch auf weitere Partnerschaften und gegenseitige Besuche aus Frankreich.
Tag der offenen Tür in Lauterbourg, Poetry Slam in Karlsruhe
Bei Pamina in Lauterbourg wird dagegen direkt am 22. Januar gefeiert und zwar mit einem Tag der offenen Tür. Dabei stehen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die am 22. Januar 1963 im Pariser Élysée-Palast die deutsch-französische Freundschaft besiegelt haben, gar nicht mal im Mittelpunkt.
Vielmehr geht es Harster und seinem Team darum zu zeigen, was man in den letzten Jahren alles gemeinsam geschafft hat. Seit dem 1. Januar 2023 gibt es beispielsweise eine neue Regelung zwischen beiden Ländern zum Thema Homeoffice. "Das waren große Kämpfe, aber jetzt haben wir gewonnen", sagt Harster.
In Karlsruhe veranstaltete das Centre Culturel Franco-Allemand am Samstag einen literarischen Abend. Deutsche und französische Künstlerinnen und Künstler trugen Texte und Poetry Slams vor, die die aktuellen deutsch-französischen Beziehungen deutlich machen sollen.
Auf den Spuren von Adenauer und de Gaulle in Baden-Baden
Am Samstag wurde in Baden-Baden im Museum LA8 gefeiert. Die Stadt und die französische Gesellschaft luden zu dem Festabend ein. Baden-Baden hat eine besondere Beziehung zum Élysée-Vertrag. Etwa ein Jahr bevor der in Paris unterschrieben wurde, hatten sich der deutsche Kanzler Konrad Adenauer und der französische Präsident Charles de Gaulle in der Stadt zu Vorgesprächen getroffen.
Radioarchiv: Unterzeichnung des Élysée-Vertrags am 22.1.1963
Wichtig: Sprache des Nachbarns verstehen
Damals war man von einer Freundschaft noch weit entfernt. Heute ist sie quasi zur Gewohnheit geworden, findet Lutz Kunzak. Er kommt aus Deutschland, seine Frau ist Französin. Beide wohnen in Karlsruhe, kaufen aber gerne auf der anderen Seite des Rheins ein. In Lauterbourg sieht man viele Autos mit deutschen Kennzeichen.
Damit das auch so bleibt, müsse in den Schulen wieder mehr die Sprache des Nachbars gesprochen werden, glaubt Patrice Harster.
Er will sich vor allem weiterhin für die Jugend einsetzen, die an der deutsch-französischen Grenze wohnt. "Die Jugend muss sich hier wohlfühlen und sehen, dass sie eine Chance hat, hier zu leben.", sagt Harster.