Die Zuckerrüben-Kampagne läuft. Doch bei einigen Bauern ist die Ernte schlechter als in den Vorjahren. Schuld ist ein Bakterium. Auch auf Verbraucher könnte das Auswirkungen haben.
Überall in Baden-Württemberg türmen sich die Zuckerrüben auf den Feldern, bevor sie abgeholt und verladen werden. Doch bei vielen Landwirten gibt es in diesem Jahr deutlich weniger Rüben als in der Vergangenheit. Grund dafür ist ein Bakterium, auch Stolbur genannt, das teilweise zu über 50 Prozent Ertragseinbußen führt. Und bei den Rüben ist nicht Schluss, was auf lange Sicht auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher zum Problem werden könnte.
Jan Arnecke hat mit einem Landwirt und dem Verband Baden-Württembergischer Zuckerrübenanbauern e.V. über die Situation gesprochen:
Zum Teil über 50 Prozent Einbußen beim Ertrag
Markus Läpple baut in Ilsfeld (Kreis Heilbronn) Zuckerrüben an. Außerdem ist er auch im Vorstand der Landwirtschaftlichen Maschinengenossenschaft für Zuckerrübenanbauer Ludwigsburg eG (LMZ), die sich um den Transport kümmern. "Gäbe es dieses Bakterium nicht, dann hätte ich gesagt, hätten wir ein normales bis überdurchschnittliches Rübenjahr gehabt", erklärt der Landwirt. Doch die Schilf-Glasflügelzikade macht den Bauern zu schaffen. Sie überträgt ein Bakterium, das den Rüben zusetzt.
Nicht nur auf den Ertrag kann das Bakterium enorme Auswirkungen haben, auch der Zuckergehalt in den Rüben ist deutlich geringer als in den Vorjahren. Im Schnitt seien um die 80 Tonnen Zuckerrüben pro Hektar normal, erklärt Läpple. In diesem Jahr gebe es Bauern, die gerade mal so auf 30 Tonnen kämen. Dazu sei der Zuckergehalt je Rübe von zuletzt rund 20 Prozent um fast die Hälfte auf etwa zehn Prozent gesunken.
Einnahmen der Landwirte schrumpfen
Das wirkt sich auch auf die Einnahmen der Landwirte aus. Denn der Preis, den sie für die Rüben bekommen, richtet sich nicht nach der Menge, sondern nach dem Zuckergehalt. Somit bleibt nicht nur weniger Geld durch geringere Erträge, sondern auch weniger Geld durch den geringeren Zuckergehalt. Dadurch werden viele Landwirte gleich doppelt gebeutelt. Markus Läpple berichtet, dass es schon Betriebe gegeben hat, die aufgrund der Schäden den Rübenanbau aufgegeben haben.
Larissa Klein, die Geschäftsführerin des Verbands Baden-Württembergischer Zuckerrübenanbauer in Heilbronn, erklärt, dass die teils großen Ernteausfälle auch einen psychologischen Effekt auf die Landwirte hätten: "Die Betriebe machen alles richtig und sehen, dass die Bestände kaputtgehen. Das macht was mit den Leuten", so Klein im SWR-Interview.
Mehr Aufwand, weniger Zucker bei Südzucker
Weniger gravierend, aber dennoch spürbar, sind der geringere Ertrag und die geringere Zuckermenge für die weiterverarbeitende Industrie. Bei Südzucker im Offenauer Werk (Kreis Heilbronn) kommen rund zehn Prozent weniger Rüben an, als im Schnitt der vergangenen fünf Jahre. Veit Nübel leitet die Rübenabteilung in Offenau. Er sagt, dass es gerade bei den Landwirten große Schwankungen bei den Ertragsmengen gebe.
Hinzu komme der geringere Zuckergehalt in den Rüben. Bei gleichem Aufwand ist der Ertrag pro Rübe geringer. Zudem erschwert die Fäulnis an einzelnen Früchten die weitere Verarbeitung. Dennoch, so betont Nübel, ist das Endprodukt qualitativ ebenso gut wie in den Vorjahren. Heißt: Die Qualität des Zuckers bleibt, es kommt allerdings zu Einbußen bei der Menge. Das könnte dann auch im Supermarkt zu steigenden Preisen führen - zumindest für Zucker aus heimischen Rüben.
"Leider", so sagt Larissa Klein aus Sicht der Zuckerrübenindustrie, gebe es ja auch viele gute Alternativen. Dass das Plätzchenbacken aufgrund des Zuckerpreises also kleiner oder ganz ausfallen muss, dürfte nicht zu befürchten sein.
Kreis Heilbronn besonders von Zikade betroffen
Markus Läpple und Larissa Klein zufolge liegt der Kreis Heilbronn quasi im Epizentrum des Ausbreitungsgebiets der Schilf-Glasflügelzikade. Inzwischen sei aber fast ganz Baden-Württemberg betroffen, berichtet Klein weiter. Auch über die Landesgrenzen hinaus macht der Schädling inzwischen Probleme und setzt längst nicht nur noch den Rübenanbauern zu.
So seien inzwischen auch Kartoffeln, Karotten, verschiedenste Kohlarten - eigentlich fast jede Gemüsesorte von dem Bakterium betroffen, sind sich Klein und Läpple einig. Ähnlich wie bei der Zuckerrübe befürchten die Landwirte auch hier immer größere Einbußen. Bekannt ist das Bakterium übrigens schon aus dem Weinbau. Dort treibt es als sogenannte Schwarzholzkrankheit sein Unwesen. Das Bakterium und damit die Zikade könnten also noch größere Probleme anrichten - nicht nur auf den Feldern, sondern auf lange Sicht auch in den Regalen der Supermärkte.
Die Schilf-Glasflügelzikade überträgt das Bakterium auch auf andere Pflanzen, zum Beispiel Kartoffeln:
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Kein Mittel hilft gegen die Zikade
Bisher gebe es keine Möglichkeit, präventiv zu arbeiten oder die Zikade und damit die drohende Infektion mit dem Bakterium zu bekämpfen, erklärt Läpple. Larissa Klein betont, man habe wirklich alles versucht. Auch ein Hausmittel aus dem asiatischen Raum, wo es ebenfalls viele Zikaden gebe: Kuh-Urin gemischt mit Chili-Öl - ohne Erfolg. Es brauche Unterstützung aus der Politik. Denn aktuell müssten für neue Versuche mit Pflanzenschutzmitteln immer Notzulassungen beantragt werden - das dauert.
Was darüber hinaus verwunderlich ist: Die Landwirte können sich nicht erklären, wann ein Feld stark und wann weniger stark befallen wird. Markus Läpple berichtet von Flächen, die fast Normalerträge geliefert haben, während das Feld auf der anderen Wegseite rund 30 Prozent oder mehr Einbußen hatte. Die Schilf-Glasflügelzikade ist übrigens ein in Mitteleuropa heimisches Tier. Allerdings hat die Population in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen, weshalb sie zum immer größeren Problem wird.
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