Über 45 Jahre produzierte das Atomkraftwerk in Neckarwestheim Strom. Am Samstag ging der Meiler endgültig vom Netz. Für die Kommune ein neuer Abschnitt.
Am Samstagabend um 23:59 Uhr wurde das Atomkraftwerk Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) abgeschaltet. Eigentlich hätten die letzten drei deutschen AKW schon Ende Dezember vom Netz gehen sollen. Aber wegen der Energiekrise und dem Krieg in der Ukraine gingen die Reaktoren in den verlängerten Streckbetrieb. Das endgültige Aus für das Kernkraftwerk in Neckarwestheim bedeutet auch eine Zeitenwende für die Kommune und die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Sorgen und Ängste wegen Zwischenlager
Wenn Neckarwestheims Bürgermeister Jochen Winkler (parteilos) in den vergangenen Tagen in seiner Gemeinde unterwegs war, spürte er, wie sehr die Anwohnerinnen und Anwohner das Ende des Atomkraftwerks beschäftigt, wie er dem SWR sagte.
AKW sorgte für Millioneneinnahmen
Fast 50 Jahre war der Meiler ein echter Goldesel für die Kommune. Jährlich flossen bis zu acht Millionen Euro Gewerbesteuer in die Gemeindekasse. Damit war viel möglich, etwa die 18 Millionen Euro teure Reblandhalle zu bauen - ein Kulturzentrum. Und sogar ein Golfplatz wurde in den 80ern gebaut, der verpachtet ist. Jetzt heißt es, den Gürtel enger schnallen.
Radioaktiver Abfall bleibt vorerst vor Ort
Für Atomkraftgegnerinnen und -gegner war Neckarwestheim ein Reizwort, sie demonstrierten immer wieder lautstark in der Kommune. Was vom AKW übrig bleiben wird, ist der radioaktive Abfall im Zwischenlager. Momentan habe Neckarwestheim noch eine Genehmigung als Zwischenlager bis 2046, so Winkler. Allerdings gibt es noch immer kein Endlager - es ist also unklar, wann der Atommüll tatsächlich aus Neckarwestheim einmal abtransportiert werden wird. Der Rückbau von Block 2 soll im Sommer beginnen, schrittweise erfolgen und laut Betreiberin Energie Baden-Württemberg (EnBW) bis zu 15 Jahre dauern.
Keine Sorgen wegen AKW
Stefanie Störtenbecker ist mit dem Atomkraftwerk und der weißen Kühlturmwolke am Himmel aufgewachsen. Sie betreibt als Physiotherapeutin ein Zentrum für Gesundheit in der Kraftwerksgemeinde. Ihr Vater arbeitete als Schichtleiter im AKW. Sie hatte nie Sorgen wegen des Atomkraftwerks.
Kein großer Freund des Atomkraftwerks
Holger Morlok ist Unternehmer und sitzt für die Freie Bürgervereinigung Neckarwestheim im Gemeinderat. Er sei nie ein großer Freund des AKW gewesen, gibt er zu, aber auch kein klassischer Gegner. Er selbst beziehe etwa in seinem Gebäude komplett Ökostrom. Das Kraftwerk sei für Neckarwestheim natürlich auch ein attraktiver Arbeitgeber. Seine Frau Carolin betreibt ein Boarding-House, in dem auch Arbeiterinnen und Arbeiter oder Technikerinnen und Techniker übernachten, die im AKW zu tun haben.
Bürgermeister optimistisch
Die Zeit ohne stromproduzierendes Atomkraftwerk in Neckarwestheim wird eine andere sein. Bürgermeister Jochen Winkler macht sich da keine falschen Vorstellungen. Man werde sich nicht mehr auf dem Niveau der vergangenen Jahrzehnte bewegen können. Trotzdem werde man sich als normale Kommune mit 4.000 Einwohnerinnen und Einwohner in die Zukunft bewegen. Das werde man auch hinbekommen, ist der Bürgermeister sicher.
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