Die Kläranlage Neckarsulm soll zum Filtern von Medikamentenrückständen eine neue Reinigungsstufe bekommen - für 25 Millionen Euro. Die Kosten werden indirekt die Bürger tragen.
Antibiotika, Hormone aus der Antibabypille, Röntgenkontrastmittel oder Schmerzmittel: Die Liste an Stoffen ist lang, die sich in Abwässern befinden. Jetzt soll die Verbandskläranlage Neckarsulm (Kreis Heilbronn) mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe ausgebaut werden, um solche Stoffe zum größten Teil herauszufiltern. Das Projekt ist kostspielig, rund 25 Millionen Euro wird der Ausbau kosten und das werden die Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen - indirekt. 2026 ist der Baustart geplant, die Bauphase wird sich wohl über zwei bis drei Jahre erstrecken.
Bürger zahlen für Gewässerschutz
Die Großinvestition muss aber auch bezahlt werden. Und da kommen dann die Bürgerinnen und Bürger ins Spiel, die im Einzugsbereich des Abwasserzweckverbandes Unteres Sulmtal wohnen. Dazu gehören etwa die Kommunen Neckarsulm, Bad Wimpfen, Offenau, Bad Friedrichshall, Weinsberg, Erlenbach und Eberstadt (alle Kreis Heilbronn). In den nächsten Jahren werden wegen des Bauprojekts die Abwassergebühren sukzessive steigen. Davon geht Neckarsulms Oberbürgermeister Steffen Hertwig (SPD) aus.
Die Verantwortlichen beim Abwasserzweckverband sind sich bewusst, dass das nicht wenig Geld ist. Es gehe aber um die zukünftigen Lebensgrundlagen, betonen auch die Bürgermeister von Bad Friedrichshall und Erlenbach (Kreis Heilbronn), Timo Frey (CDU) und Uwe Mosthaf (parteilos).
Europa arbeitet an Abwasserrichtlinie
Eine gesetzliche Verpflichtung für eine solche vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen gibt es bislang nicht. Auf europäischer Ebene jedoch läuft alles darauf hinaus. Aktuell ist dort eine kommunale Abwasserrichtlinie in Arbeit, die demnächst verabschiedet werden soll, wie der Vorsitzende des Abwasserzweckverbandes Unteres Sulmtal, Neckarsulms Oberbürgermeister Hertwig erklärt.
Gerade vor diesem Hintergrund hätten sich die Verantwortlichen dafür entschieden, dass millionenschwere Projekt schon jetzt auf den Weg zu bringen. Denn sollte die Pflicht zu einer vierten Reinigungsstufe kommen, rechnet der Abwasserzweckverband mit steigenden Baukosten und knapperen Planungskapazitäten.
Öhringen war Vorreiter
Rund 30 Kläranlagen in Baden-Württemberg besitzen mittlerweile eine vierte Reinigungsstufe. Die Stadt Öhringen (Hohenlohekreis) war 2016 bei der neuen Reinigungstechnik ganz früh mit dabei. Die Erfahrungen dort sind bisher gut.
Die Verbandskläranlage in Neckarsulm, die etwas eingepfercht neben dem großen Audi-Werk liegt, ist eine der Großen in Baden-Württemberg. Von etwa 950 Kläranlagen liegt sie auf Platz 12. Acht Verbandsgemeinden sind angeschlossen. Da die Industrie in dieser Region stark ist, kommen auch Industrieabwässer hierher.
Um Medikamente und andere Stoffe künftig herauszufiltern, wird bei der neuen Anlage Aktivkohle eingesetzt. Diese bindet einen großen Teil der Stoffe. Was am Ende als getrockneter Klärschlamm übrig bleibt, wird in einer speziellen Anlage im Land verbrannt.